Benni Kakert
Im Oktober 2022 haben Benni Kakert (*1994) und ich uns zum ersten Mal getroffen, damals noch in seinem alten Atelier in Rahnsdorf. Ein gutes Jahr später sehen wir uns erneut in seinem neuen Studio an der Grenze zwischen Berlin-Mitte und Wedding. Benni ist in Berlin aufgewachsen, kennt die Stadt mit all ihren hellen und dunklen Seiten. Im Atelier und beim Spaziergang mit seinem Hund sprechen wir über seine bevorstehende Einzelausstellung bei ARTCO, über seinen Weg zur Kunst, die Themen, die ihn beschäftigen und wie Malerei helfen kann, sich selbst die Welt zu erklären.
Zunächst einmal danke dafür, dass du bei der Studio Talks Group Show im Sommer mit einer so starken Arbeit am Start warst, das hat mich sehr gefreut. Jetzt am 08. Dezember eröffnet deine Solo-Ausstellung, ebenfalls in der ARTCO Gallery in Berlin. Der Titel ist „The Miserable Bastard Show“, worum geht’s dabei und was zeigst du?
Zu sehen gibt es großformatige Malerei, Szenen und Darstellungen meiner Gefühlswelt. Außerdem gibt es viele kleine Arbeiten auf Holz, die den Malereien, die doch oft tragisch und düster wirken, meist humorvoll entgegenwirken, wie ein Kommentar nach dem Motto: „Ach, ist doch gar nicht so schlimm.“. Die Malereien stehen im Mittelpunkt; schnell gemalt, bunt und symbolisch in den Motiven.
Du arbeitest mit unterschiedlichen Materialien, neben Acrylfarben hast du zum Beispiel auch mal Filz für einige Bilder genutzt und bei deinen neuen Arbeiten verwendest du einen glänzenden Stoff, der die Bilder fast wie digitale Screens aussehen lässt – welche Rolle spielen die Materialien für dich?
Keine übergeordnete Rolle und ich habe auch kein ausgeprägten Materialfetisch. Natürlich macht es Spaß, Materialien zu erkunden, aber in meinem Fall versuche ich Stoffe, Wolle oder Gegenstände oder ähnliches einzubinden, wenn es mir in die Sprache der Geschichte passt, die ich erzähle. Es fetzt einfach, wenn ein Punk-Song laut ist und ein Heartbreak-Song sich zerbrechlich anfühlt. Außerdem funktioniert die Wahl des Materials auch als Regulator, wie nah ich den Betrachter an das Thema heranlassen möchte, also inwieweit ich ein- oder ausladen möchte.
In deinem Atelier habe ich auch starke Skulpturen aus Teer gesehen – werden die auch Teil der aktuellen Ausstellung?
Nein, die sind jetzt genau ein Jahr alt und waren Teil der Show „I can not read.“, die ich mit meinen guten Freunden von COUNCIL+ gemacht habe, liebe Grüße.
Lass uns nochmal kurz zu deinen Anfängen zurückgehen. Wie kamst du zur Malerei bzw. zur Kunst?
Meine Mutter hatte eines Tages einen neuen Partner. Ich war vielleicht 11 oder 12, vielleicht auch jünger. Dieser Mann war anders als die anderen Erwachsenen, die ich kannte - etwas seltsam, aber sehr liebenswert. Er ist Musiker und hat auch ab und an tolle Bilder gemalt. Dieses Leben funktionierte und war charmant meiner jungen Beurteilung nach und was uns verband war, dass wir uns unverstanden fühlten. Er hatte einen Ort gefunden und eine Sprache entwickelt, die einen Erklärungsversuch darstellte: die Kunst. Diesen Trick habe ich einfach übernommen für mich.
Du hast als Anlagenmechaniker ja ein richtiges Handwerk gelernt – was hat dich dazu bewogen, damit aufzuhören?
Ich war schlichtweg nicht besonders gut, es machte mir auch nicht besonders viel Spaß und ich wollte gerne woanders sein. Es war auch nicht die Idee, dass es mich erfüllt oder mir was gibt, viel in der Pisse und Kacke anderer Leute zu wühlen, sondern es sollte irgendwas sein. „Dann bist du weg von der Straße!“ sagt man doch. Ein halbes Jahr bevor ich Geselle geworden wäre, bekam ich Angst vor diesem Leben. Das ab jetzt? Oh no! Also hab ich allen gesagt, dass ich nicht mehr kommen werde und mich an der Kunsthochschule bewerben werde, was ja auch auf Anhieb geklappt hat.
Ein krasser Schritt auf jeden Fall, aber sicher ein guter Entschluss. In Weißensee hast du dann an der Kunsthochschule studiert, aber nicht sehr lang – wieso bist du dort weg?
Scheinbar gibt es da ein Muster der Flucht. Ich hatte den Eindruck, es gibt eine klare Idee, was richtig und falsch ist in den ersten Monaten, in denen ich da war. Das hat mich ziemlich genervt und für Ärger gesorgt. Ich hab mich um mein Recht, alles falsch machen zu dürfen, doll gestritten. Ich hätte es ja vielleicht gar nicht gemacht, aber es hätte OK sein müssen, sonst muss ich es falsch machen, um zu provozieren. So war ich da drauf, ich war super wütend und anstrengend zu der Zeit. Dann hab ich mir ein eigenes Atelier gesucht am Stadtrand und bin damit happy geworden.
Du warst mal sehr aktiv in der Graffiti-Welt, fehlt es dir und hat es noch Einfluss auf deine Arbeit?
Es fehlt mir in meinem Leben nicht wirklich, vor allem nicht in der Form, in der ich mein Leben dem verschrieben habe. Aber klar, ein paar Sachen sind hängengeblieben. Das Offensichtlichste ist wohl der grobe und schnelle Strich. Und was mir bei meinen Malerkollegen in der Kunst oft auffällt, dass sie seltener beim Nachbar schmulen als die Kollegen ohne den Background. (Anm.d.Red.: „schmulen“, berlinisch für „heimlich, unauffällig gucken“)
Graffiti hat ja auch einen performativen Aspekt, spielt das noch eine Rolle für dich?
Ich mag es, mich zu verkleiden - für meine Malerei, um Figuren zu sein, die in mir sind, die überspitzt zu fühlen und ans Tageslicht zu holen. In der Zeit, in der ich einen intensiven Austausch mit der Stadt hatte, habe ich es genossen, in die Rollen der Menschen zu schlüpfen, die mir begegnet sind und in meiner Wahrnehmung eher meine Gegenspieler waren. Sprich mich als Hausmeister, Bonzenspross oder Zivilpolizist zu verkleiden und in der Stadt zu spielen.
Ich finde diesen Aspekt des Rollenspiels dabei auch sehr spannend. Wer übernimmt eigentlich welche Rolle in der Gesellschaft und steckt nicht auch alles in Anteilen in jedem von uns? Ich mag auch den spielerischen Punkt daran. Du bist in Berlin aufgewachsen, wo fühlst du dich hier am wohlsten?
In Brandenburg.
Als wir uns damals draußen in Rahnsdorf getroffen haben, wo du neben Monty Richthofen dein Atelier hattest, war dort eine tolle Atmosphäre, viel Platz und Natur drumherum. Vermisst du das oder bist du eher froh, jetzt so zentral dein Studio zu haben?
Die Natur und die Ruhe waren toll als Pause. Was der Ort auch gemacht hat, ist mir einen tollen Freund zu schenken, Monty. Für meine Arbeit vermute ich, war es nicht hundert Prozent das Richtige, weil es auch eine Illusion bedeuteten konnte. Es hat meine Wahrnehmung und Gefühle zeitweise verfälscht. Das soll keineswegs die Arbeiten, die dort passiert sind negieren, es fiel einfach schwerer Protagonist zu sein, viel mehr war ich die Erzählerstimme. Mein Leben passiert in der Stadt und ich fühle in der Stadt. Ich arbeite jetzt total zentral und fühle mich sehr in der Realität.
Welche Rolle spielen die Waffen, die bei dir manchmal vorkommen?
Waffen funktionieren als Symbole des Dummen oder sind meist Stellvertreter für einen ungeschickten Umgang mit dem Leben, stehen für Egoismus, Sucht oder Wut. Außerdem macht das Spiel mit Waffen Spaß, so wie sich zu nehmen, was einem nicht gehört, Drogen nehmen oder seinem Frust Platz machen. Ein Kind rennt, mit einem Messer in der Hand von der Mutter weg und hat die Freude seines Lebens. Alle wissen, es ist eine Dummheit und geht schief, bis dahin macht es Spaß. Dafür stehen die Waffen für mich. Ich bin jedoch kein großer Freund davon, wie ein Lehrer zu erklären und mir gehören die Bilder und ihre Deutung auch nur bis sie fertig gemalt sind. Danach muss ich sie teilen, das ist der Beruf denke ich.
Kann man sagen, dass das Malen auch eine Art Therapie ist und eine Hilfe mit dem Leben und der Welt klarzukommen?
Eine Therapie nicht, auch kein Ventil. Ein Gesprächspartner würde ich sagen trifft es am ehesten. Ich erzähle ihm eine Geschichte. Ich bin mir unsicher, wie ich sie verstehen soll, weil ich meiner Wahrnehmung nicht traue, also übertreibe ich etwas. (Das liegt in der Familie: Übertreiben, um die Tatsache zu unterstreichen, predigte mein Vater.) Ich erwarte von meinem Gesprächspartner, dem Bild, an dem ich arbeite, mir eine ehrliche und weise Betrachtung meines Problems oder meines Themas zu zeigen. Das kann die Kunst sehr gut, sie macht Lügen fühlbar. Ein gelogenes Bild ist ein scheiß Bild und das demaskiert die Lüge oder den Trugschluss.
Da stimme ich dir zu 100 Prozent zu. Man spürt in der Kunst sehr gut, ob etwas wahr und echt ist oder gelogen. Ich mag besonders deine Bilder, in denen immer wieder eine bestimmte Bettdecke vorkommt – was bedeuten die Bilder für dich?
Die sorbische, blau-weiße Decke mit Blumen steht für einen Lebensabschnitt mit einer verflossenen Liebe und die Erinnerung daran. Keine tiefere Bedeutung.
Hast du Vorbilder in der Kunst bzw. gibt es Leute, die dich beeinflusst haben?
Das kann jeder für mich sein, Caravaggio oder Spongebob Schwammkopf. Mein Nachbar begeistert mich, mein Hund, ich hab letztens lange mit dem Müllmann geredet und er hat mir die Mechanik seines LKW’s erklärt. Ich habe aber keine Helden oder Vorbilder, hatte ich auch nicht als Kind.
Das ist eine sehr schöne Sicht darauf. What’s next? Weißt du schon, wie es nach der Ausstellung weitergeht in 2024?
2024 wollte ich Leuchtturmwärter werden, falls jemand was weiß, meldet euch gerne bei mir! :)
Haha alles klar, ich werde mich mal umhören. Danke dir für das Treffen und das gute Gespräch!
Danke dir.
Foto Credits:
Nina Mostert, Malte Bülskämper