Fabian Treiber

Fabian-Treiber_Painting_A_Day_On_photo_Fabian-Treiber130120_114-1_4_Studioview.jpg
Ich habe manchmal das Gefühl, dass ich eher die Bilder finden muss, als dass ich sie erschaffe.
20201008_123103.jpg

Im Januar 2019 traf ich den Maler Fabian Treiber (*1986, Ludwigsburg) zum ersten Mal, damals im Berliner Soho-House. Warum wir uns ausgerechnet dort trafen, weiß ich nicht mehr – aber ich erinnere mich daran, dass es ein sehr gutes Gespräch war. Seitdem stehen wir im Austausch, erörtern Themen, werfen uns Fragen und Antworten hin und her. Das Ergebnis unseres knapp zweijährigen Dialogs ist in diesem Interview zusammengefasst.

Fabian lebt und arbeitet in Stuttgart, sein Studium an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Stuttgart hat er 2016 als Meisterschüler abgeschlossen. In unserem Gespräch geht es unter anderem um das Irrationale in der Malerei und darum, wie eine Malerei entsteht, die uns bewegt und die uns wirklich angeht. Wir sprechen über das besondere Jahr 2020, es geht um Social Media Phänomene, um Hypes vs. Substanz, um Fabians neues Studio, die Faszination für Philip Guston und warum es sich gelohnt hätte, ein Bier oder vielleicht auch mehrere mit Francis Bacon zu trinken.

Fabian, der erste Teil unseres Interviews liegt nun fast 2 Jahre zurück, seitdem ist viel passiert. Du hattest einige, sehr beeindruckende Shows, u.a. in der Kunsthalle Nürnberg, in der Kunsthalle Düsseldorf, im Kunstverein Ludwigsburg, eine tolle Solo-Show bei KANT in Kopenhagen und noch einige mehr. Erstmal Gratulation dazu! 

Vielen Dank! Ja, wir zwei haben hier ein schönes Langzeitexperiment. (lacht)

Deine Ausstellung „FOR A WHILE LONGER“ bei Haverkampf in Berlin und auch die Gruppenausstellung „Mixed Pickles 7 - The Ghost Edition“ bei Ruttkowski;68 in Köln haben weitestgehend ohne Publikum stattgefunden. Es gab dieses Jahr wegen Covid-19 kaum große Openings, wie man es sonst gewohnt war – wie erlebst du diese neue Situation? 

Sehr unterschiedlich. Generell fehlt mir schon sehr der Input, den ich über das Ausstellen selbst, beziehungsweise durch Ausstellungsbesuche und Openings bekomme. Die beiden Ausstellungen bilden hier eigentlich auch nur die Spitze des Eisbergs. Philipp Haverkampf hatte im Herbst 2019 meine Arbeiten in der Kunsthalle Düsseldorf gesehen und mich anschließend im Studio besucht. Wir haben dann relativ zügig begonnen, über eine Präsentation nachzudenken. Ich hatte mich wirklich sehr auf die Ausstellung gefreut. Alles war geplant, Einladungen gedruckt und versendet und natürlich waren die Arbeiten schon in Berlin. Die „Mixed Pickles“-Show bei Ruttkowski;68, welche ja gerade im Zuge der Krise als Ghost Edition geplant wurde, war gewissermaßen schon auf die Gegebenheiten eingestellt. Die Berliner Ausstellung wurde wiederum vollkommen unvorbereitet von den neuen Gegebenheiten erfasst. Zum Zeitpunkt der geplanten Eröffnung, also in jener Woche, hat es uns tagesaktuell neue Beschränkungen und Bestimmungen um die Ohren gehauen und wir mussten schlussendlich von meiner Anreise und dann auch von der Eröffnung am 20. März vollends absehen. Die Ausstellung wird nun im Herbst 2021 stattfinden.

Wie hast du überhaupt die Corona-Zeit bisher erlebt? Hat es dich in deiner Arbeit ausgebremst oder eher produktiver gemacht durch die Ruhe und weniger Ablenkung?

DSC_3532.jpg

Das lässt sich für mich nicht so einfach beantworten. Als ich deine Frage im Mai gelesen habe, hätte ich noch vollkommen anders bilanziert. Heute, Ende November, mit all den gewonnenen Erfahrungen, sehe ich vieles ganz neu. Ich muss gestehen, dass ich die Zeit eigentlich grundsätzlich positiv erlebt habe. Gleichwohl merke ich, dass mich das Jahr unglaublich viel Kraft gekostet hat und frage mich ständig, wo sie geblieben ist. Klar habe ich Beschränkungen in meinem Alltag gespürt, aber rückblickend konnte ich doch ständig arbeiten. Durch Ruhe und mangelnde Ablenkung, hatte ich zunächst eine super produktive und fokussierte Zeit. Meiner Arbeit tat das sehr gut. Ich glaube aber - und insgeheim befürchte ich das sogar - dass mich diese lange und intensive Zeit, noch kritischer, vor allem mir selbst gegenüber, werden ließ. Das zehrt ungemein, denn ich ziehe mich in arbeitsintensiven Phasen ohnehin gerne zurück. 2020 hat sich das wohlmöglich für mich persönlich negativ ausgewirkt und war dahingehend eine neue Erfahrung. Ich habe viel darüber gelernt, wie ich in Zukunft arbeiten will. Die Zeit vor Corona hatte mir schon viel Kraft abverlangt – klar…  anders, aber dieses Abschleifen, sollte nicht zur Normalität werden.

Das kann ich gut verstehen, ich denke für viele von uns war 2020 ein wirklich kraftraubendes Jahr. Aber es gab ja auch noch andere Veränderungen für dich: Du bist im Sommer in ein neues Studio gezogen – wie gefällt es dir hier? Und wie stark kann so ein neues Umfeld die Arbeit verändern?

Mein neues Studio gefällt mir sehr. Es handelt sich um ein im Sommer fertig gestelltes Bauprojekt der Stadt Stuttgart und dem verantwortlichen Kunstverein Wagenhallen e.V.
Die hier entstandenen Studios, in unmittelbarer Nähe des Nordbahnhofs, sind sehr zentral gelegen und boten mir Gelegenheit, da ich nun quasi der Erstbezug bin, einen Raum ganz nach meinen Vorstellungen zu denken. Wenngleich ich nun nicht einen Hangar bezogen habe, hatte ich doch die Gelegenheit, durch Ein- und Umbauten, den Raum zur perfekten Werkstatt zu machen. Diese sehr geordnete und vor allem von mir gestaltete Atmosphäre tut mir sehr gut. Daneben gefällt mir das Miteinander auf dem Gelände. Es befinden sich neben Künstlern, auch Architekten, Designer und Schauspieler in unmittelbarer Umgebung. 

DSC_3699.jpg

Bei „Mixed Pickles 7“ in Köln und auch kürzlich bei „Mixed Pickles 8“ in den Wilhelm-Hallen in Berlin, warst du mal wieder in bester Gesellschaft, u.a. mit Leuten wie Stefan Marx, Daisy Parris, Antwan Horfee, Conny Maier und einigen weiteren mehr. Welche Arbeiten deiner Kollegen reizen dich am meisten – entweder, weil du sie besonders beeindruckend findest oder vielleicht auch, weil du sie eben nicht verstehst?

Ach, das kann man so einfach nicht beantworten. Du nimmst es ja vorweg – der Reiz kann so viele Ursprünge haben. Zumal ich am liebsten direkt mit den Arbeiten im Raum in Berührung komme – da kann dann was passieren. Das Nichtverstehen ist mir oftmals sehr sympathisch. Eine Arbeit, die einen herausfordert oder gewissermaßen etwas seltsam ist, weckt zumeist mein Interesse. Viele meiner Kollegen in der Ausstellung kenne ich persönlich und schätze die Haltung, welche sich hinter deren Arbeiten verbirgt. Um nur zwei Beispiele zu nennen: Da ist dann ein Philip Emde, der sich nach Beginn der Krise in seine Heimatstadt zurückgezogen hat, um in genau jener Ruhe neue Arbeiten zu entwickeln. Mit ihm war ich dann auch regelmäßig in Kontakt und genieße diesen produktiven Austausch sehr. Ebenso hat es mich gefreut, dass Daisy mit dabei war und ich einen kleinen Anteil daran hatte, dass die Galerie vor geraumer Zeit auf sie aufmerksam wurde. Ich verfolge ihre Arbeit schon lange und finde sie hat auch etwas sehr Eigenes entwickelt.   

Ja, da stimme ich dir absolut zu! Ich finde Daisy’s Arbeiten sehr eigenständig und wirklich stark - ich bin ein großer Fan. Wie kam euer Kontakt zustande? 

Das kann ich gar nicht genau sagen. Es muss schon Jahre her sein, dass ich auf Instagram auf ihr Profil gestoßen bin. Seither verfolge ich ihre Entwicklung aufmerksam. Manchmal glaube ich sogar, dass es auch hier meine „ersten“ Kontakte waren, die für mich am meisten Tragweite ergeben haben. Vielleicht gerade der langen Zeit wegen. Wenngleich wir uns bislang nie persönlich begegnet sind, so behielten wir den Kontakt und irgendwann ist dann auch eine kleine Zeichnung in meine Sammlung gewandert. Ich bin überzeugt, dass sie ihr Werk mit Leidenschaft weiterentwickeln wird und so fiel es mir leicht, vor einigen Monaten meinen Galeristen zu schubsen (lacht).

Nochmal kurz zurück zu der Ausstellung in Nürnberg, die ich vorhin erwähnte - „A Minibar in a Large Scale Room“. Interessant fand ich, dass du dort eine bemerkenswerte Hängung vorgenommen hast bzw. müsste man da wahrscheinlich eher von einer In-situ-Installation sprechen: Einige Arbeiten hingen als bedrucktes Nylon an halbrunden Stahlvorrichtungen beinahe wie Duschvorhänge im Raum – wie kam es dazu und was war der Hintergrund dieser Installation?

Man muss vielleicht vorneweg sagen, dass ich zu jener Zeit ein Aufenthaltsstipendium auf Einladung der Kunsthalle in Nürnberg hatte. Die Kunsthalle wurde zu jener Zeit saniert und bespielte währenddessen das benachbarte Kunsthaus mit ihrem Programm. Das Kunsthaus hat eine unglaublich strenge Architektur. Von einem nahezu 30 m langen Korridor, gehen 4 in etwa gleich große Ausstellungsräume ab. Noch dazu verfügt jener Korridor über regelmäßige Nischen, welche gleichsam wie Arkaden den langen Raum nochmals rhythmisieren und gliedern. Dagegen anzukämpfen, ist super schwierig. Zäsuren vorzunehmen wirkt dann oftmals nur wie Lücken lassen und viele Formate kämpfen dann zusätzlich mit den Größenverhältnissen der Nischen selbst. Ich wollte also eine Lösung schaffen, welche sowohl mit der Architektur arbeitet und ebenso dagegen. So kam ich zu der Installation „To be with Others“. Ich habe in Zusammenarbeit mit der Kuratorin Harriet Zilch und dem Aufbauteam einen Schlosser beauftragt, drei Meter lange Stahlrohre in Bogenform zu installieren an denen sich dann tatsächlich Duschvorhänge, welche mit Motiven meiner Interieurs bedruckt waren, befestigen ließen. Die so geschaffenen, neuen und sehr intimen Räume, haben den Korridor komplett überlagert. Die Serie der „Others“ ist eigens für diesen Zweck entstanden. Kleine Porträtformate von Alltäglichem. Es war ziemlich unangenehm, mit den Arbeiten allein in dieser Kabine zu sein – das gefiel mir. Ziel war auch, dass es eine seltsame Überlagerung von gemaltem, musealem, persönlichem, erinnertem und maximal profanen Raum gab. Das hatte mich sehr interessiert.

KH_Treiber_071-2.jpg
KH_Treiber_119.jpg
KH_Treiber_105.jpg
KH_Treiber_084.jpg

In deinen Arbeiten sieht man immer wieder Interieurs und Stillleben, kunsthistorisch eher alte Sujets. Dennoch wirken deine Arbeiten sehr zeitgemäß, fresh und ungesehen – wie schaffst du das? 

Ich denke, die Antwort darauf ist fast schon in deiner Frage zu finden. Das Motiv, in diesem Fall das Stillleben oder Interieur entscheidet eben nicht über die zeitgemäße Relevanz oder das zeitgemäße Auftreten. Entscheidend ist doch, ob die Arbeiten etwas mit uns machen. Ich war nie der Ansicht, dass sich das allein am Motiv entscheidet und ebenso wenig nur am eigesetzten Material. Meiner Überzeugung nach, kann sich Malerei bereits am einfachsten Motiv am besten zeigen. Somit kann ein gemaltes Bild oder eben ein gemaltes Interieur auch heute die Menschen berühren. Darüber hinaus kommen natürlich unzählige Bausteine zusammen, die ebenso dazu beitragen. Ein gutes Bild muss also auf unzähligen Ebenen funktionieren. Wenn es um Aktualität und Innovation geht, ist der reine Oberflächentransfer von vermeintlich Zeitgemäßem in die Malerei, meiner Meinung nach, ein Missverständnis. Ich versuche diese beiden Sujets als Gerüst oder Bühne zu nutzen, um tiefergehende, mitunter vielleicht archaische Themen und Gefühle zu bearbeiten. Ich denke, das ist ein Grund, warum die Bilder uns erreichen, seltsam vertraut erscheinen und doch ungesehen wirken, warum sie positiv stören und in Teilen vielleicht auch etwas unbequem sind.

Ich habe mich gefragt, ob es vielleicht unter anderem am Einsatz von Airbrush und Sprühfarbe liegt? Und auch an der Tatsache, dass du die abgebildeten (vermeintlichen) Gegenstände unfertig, gewissermaßen in der Schwebe lässt und du immer an der Grenze zur Abstraktion bist, was einen das klassische Stillleben neu sehen lässt?

Damit nennst du eigentlich einige der weiteren Bausteine. Das Material leistet sicher seinen Beitrag. Allein am eingesetzten Material kann es sich aber nicht entscheiden. Ebenso ginge es mir grundsätzlich auch nicht darum, diese Sujets neu zu erfinden - ich denke eher, dass diese Sujets schon immer auf ganz wunderbare Weise das Hier und Jetzt beschreiben konnten. Grundsätzlich befrage ich all meine eingesetzten Werkzeuge und Materialien immer auf ihren unmittelbaren Gewinn für die Arbeit. Um bei dem von dir genannten Beispiel zu bleiben: Im richtigen Verhältnis von Einsatz und Wirkung, ergänzt die Airbrushpistole ganz wunderbar meine Bildidee. Das Labile oder Instabile meiner Räume soll sich letztlich in allen eingesetzten Materialien wiederfinden. Also ist die Schwebe, von der du sprichst, etwas, dass die Airbrushpistole über ihre Qualitäten von Haus aus mit sich bringt. Das Diffuse, vielleicht auch manchmal das etwas Ungelenke oder Unkontrollierbare, aber eben auch das sehr Direkte und Unmittelbare, schätze ich sehr. Jedes Material muss irgendwie spürbar und erfahrbar bleiben. Schlussendlich erreiche ich so mein Ziel, einen seltsamen Prototypen zu schaffen, aus erfahrbarer Materialität und aus Ablagerungen innerer sowie äußerer Bilder. Die Schwebe gipfelt dann zwischen den bereits von dir angedeuteten Polen - sagen wir zwischen dinglich und abstrakt. Sie sind ein Stück weit Platzhalter für eine rationale Wahrnehmung der Realität, aus Erlerntem und Trainiertem und einer emotionalen Wahrnehmung, aus Gefühltem, Erfahrbarem und vielleicht Instinktivem.

Bildschirmfoto 2020-11-22 um 21.53.22.png

Was seit unserem letzten Treffen bis heute ungebrochen ist, ist der Trend zur Malerei. Er ist vielleicht sogar noch stärker geworden – hast du eine Erklärung dafür?

Anfang des Jahres habe ich mich mit Anika Meier im Zuge ihrer Monopol-Kolumne genau über jenes Thema unterhalten. Ich glaube, dass ich meiner Antwort von damals eigentlich nicht viel hinzufügen kann. Ich denke, dass die Malerei perfekt in jene digitale Infrastruktur passt, welche wir täglich bemühen. In Bildern zu sprechen ist ja das Besondere an der Malerei selbst. Malerei ist auch immer komprimierte Zeit und Gleichzeitigkeit von Einschreibungen und Aussagen. Im Vergleich zu früher, bedienen sich nun weit mehr Menschen der Sprache der Bilder, seien es Emojis oder man schickt den gedeckten Tisch an die Freunde, um zu zeigen, was es zu essen gibt…  Vielleicht spüren die Menschen, durch jene Berührungspunkte oder ihren verstärkten eigenen Umgang mit Bildern, gewissermaßen das Raunen gemalter Bilder und fühlen sich davon besonders angezogen…  Oder aber, es steckt dahinter ein Missverständnis, wenn auch ein sehr konstruktives. Gemalt wurde ja immer, und ich halte das Medium in seiner einzigartigen Sprache, wie gesagt, für unerlässlich. Das Interesse könnte also ebenso ein Nebeneffekt der Bildersucht und des vermeintlich Niederschwelligen sein, der Aufmerksamkeitsökonomie beziehungsweise dem Streben jedes Einzelnen nach grenzenloser Individualität. Diese Sehnsucht erfüllt dann vielleicht besonders die Malerei, weil sie uns so nahe erscheint.

Was für ein Potential oder auch Risiko steckt da drin für die Malerei? Wohin wird das führen?

Es könnte meiner Meinung nach zum Fluch werden, wenn sich das Medium und die Malerinnen und Maler, nicht auch ein Stück weit von der alltäglichen Bildersucht emanzipieren und distanzieren können. Ich sehe, aufgrund des breiten Interesses an der Malerei nicht unbedingt ein neues goldenes Zeitalter für das Medium hereinbrechen. Einerseits erfordert die Malerei eine besondere Aufmerksamkeit – damit meine ich, dass Malerei anders geschaut werden muss. Andererseits, erlebe ich auf Seite der Maler*innen, dass derzeit viel Malerei digitalen Vorbildern und Vorlieben nachzueifern versucht – sprich, wie blöd Oberflächen transferiert werden, um schlussendlich irgendwo im Uncanny-Valley zu verenden. Man verwechselt dabei meines Erachtens allzu oft das digitale Werkzeug, welches man zurecht bemühen kann, mit einer Art Bilder-/ Motivproduzent, welchem es dann einfach nachzuahmen/malen gilt. In der Folge werden viel mehr Abhängigkeiten geschaffen, anstatt Qualitäten zu nutzen und zu bewahren, die einzig und allein dem Malprozess, den damit verbundenen intuitiven Entscheidungen und Richtungswechseln auf der Leinwand - also dem gemalten Bild in Gänze und letztlich unserer Vorstellungskraft anheim sind. 

Es gab vor einigen Jahren einen Hype der jungen, abstrakten Malerei; dann hieß es  irgendwann „The figur is back“ und es ging hin zu einem „New Figurativism“. Wie sehr schenkst du solchen Hypes Aufmerksamkeit? 

Mein Eindruck ist, dass die Bewegungen und Diskurse nicht nur eindimensional verlaufen. So erkläre ich mir, dass es innerhalb der Malerei wieder sehr viele ausdifferenzierte Strömungen gibt, welche uns alle gleichzeitig erreichen. Dem Hype schenke ich zumeist keine besondere Aufmerksamkeit. Ich kann auch diesen Begriffen leider meist nichts abgewinnen. Ich beobachte das allerdings aufmerksam und versuche bei meinem Anliegen zu bleiben. Vieles zeigt sich ja ebenso als Markterscheinung und weniger als produktiver Beitrag zu einem übergreifenden Diskurs innerhalb des Mediums. Da versuche ich zu trennen. Mein Eindruck war, dass nachdem die junge Abstraktion noch den letzten seelenlosen formalen Pinselstrich abgeliefert hatte, beziehungsweise in einer beispiellosen Selbstbespiegelung mit oftmals pseudowissenschaftlich-mathematischem Kalkül von einem „all over-Materialexperiment“ zum nächsten gekommen ist - war irgendwann die Luft raus. Leider wurden seinerzeit durchaus legitime künstlerische Untersuchungen und Ergebnisse viel zu früh abgeschöpft und für absolut erklärt. Bitte nicht missverstehen - ich wünsche mir wie gesagt, erstmal beim Werk zu bleiben, abzuwarten und zu sehen, ob sich eine tiefe Auseinandersetzung entwickelt. Sehe ich mir nur einen Raul de Keyser, Amy Sillman, Steven Parrino, Jonathan Lasker oder Peter Halley an, dann ist da eine Substanz, Authentizität und ein Anliegen dahinter. Es haut mich bestenfalls um, wenn ich einem Original gegenüberstehe. Die unzähligen Copycats bleiben da meist sehr flach, denn es scheint, sie haben ihr Medium oft nicht wirklich durchdrungen. Zum Totengräber wurden dann ebenfalls gehypte Begriffe wie Crapstraction und Zombie Formalism sowie Essays wie Zombies on the walls, bereits 2014 von Jerry Saltz im Vulture erschienen. Und ich meine, es waren nicht nur zynische Headlines, wie David Ostrowski im Mousse Magazin vergangenes Jahr rückblickend entgegnet hatte. Ich stimme ihm zwar zu, dass jene Kritik ebenso an anderer Stelle oder an weiteren Stilen zur Anwendung kommen kann, aber die Zustandsbeschreibung und damit die Kritik an der Systematik ist deshalb nicht unberechtigt gewesen. Der Diskurs darüber tat allen gut, denn er zeigte, dass solche Hypes sowohl Anfang und Ende einer Bewegung sein können. So schließt Ostrowski ebenso folgerichtig an anderer Stelle, dass je mehr etwas zur Methode wird und je öfter man es anschließend bespricht, umso mehr wird es zur hohlen Phrase… Der Figur, dem aktuellen Hype um das Politische in der Malerei oder dem nächsten Hype wird es auch irgendwann so ergehen. Zumindest immer all jenen Arbeiten, die nicht mehr sein können, als bloße oberflächliche Bespiegelung. Bleiben werden immer die guten Arbeiten, ungeachtet des Motivs oder Stils – der Rest ist egal. 

Fabian Treiber.jpg

Ja, ich denke, wie auch immer der jeweilige Trend benannt wird, am Ende geht es dann eben doch um die Substanz und Authentizität, die du ansprichst – das mag zwar manchmal etwas schwer zu fassen sein, aber doch spürt man, ob es in einer künstlerischen Position vorhanden ist oder nicht. Und letztlich ist das wohl das beste Mittel, jeden Hype zu überstehen. Aber zurück zu deinen eigenen Arbeiten. Deine älteren Arbeiten waren eher abstrakter, dann wurde es immer gegenständlicher – oder wie du es mir mal beschrieben hast „dinglicher“ – wie kam es zu dieser Entwicklung? 

Schön, dass du von abstrakt(er) sprichst (lacht). Wie oben bereits einmal erwähnt, sind diese Pole für mich schon immer von zentralem Interesse gewesen. Ich gebe offen zu, dass es wirklich lange gedauert hatte, bis ich dieses Interesse artikulieren konnte. Sowohl im und mit dem Bild, als auch verbal. Die ganze Entwicklung hat Jahre gedauert und ich bin froh, dass ich heute darauf zurückgreifen kann. Um deine Frage zu beantworten: Es gibt im Prinzip eine Serie aus dem Jahr 2014, welche den Schalter umgelegt und mich nachhaltig geprägt hatte. Die sogenannten „Tracks“, welche ich 2015 dann noch ein letztes Mal in der Kunsthalle Baden-Baden präsentieren konnte, waren eine Sammlung aus weit über 50 kleinen Arbeiten, welche ich in den Jahren 2012-2015 angefertigt hatte. Zumeist waren sie dem Ursprung nach Fundstücke (Sägereste, Abdeckungen, Papier oder Pappreste etc.), auf denen ich ausgehend von den vorgefundenen oder präfabrizierten Spuren, weitergemalt habe. Beispielsweise ein kleines Stück Holz, mit dem man einmal etwas abgedichtet hatte, wies dann Kringel und Klebewürste an den Rändern auf. Darauf aufbauend habe ich diese Formsprache, Farbigkeit und Komposition entsprechend fortgeführt. Abstrakt und dinglich sind daher bis heute keine Kampfbegriffe, für die ich mich entscheiden müsste oder die es gegeneinander auszuspielen gilt - sondern es ging schlicht, um eine Art von Erinnerung, welche diese Einschreibungen und Spuren auslösen können. Wir alle kennen derlei Einschreibungen. Sie finden zumeist unbewusst und/oder zweckentsprechend statt. Dem Kontext enthoben oder eben weitergeführt, behielten diese Arbeiten immer etwas Dokumentarisches. In der formalen Sprache zwar abstrakt, doch ebenso mit einem konkreten Bezug zu unserer Realität. Gesten und Formen, welche ich aus dieser Recherche gewonnen habe, haben sich seinerzeit dann in den größeren Leinwänden niedergeschlagen. Ich war bemüht, eine Übersetzung zu finden, doch irgendwann war ich durch mit den Arbeiten. Sie wurden tatsächlich zunehmend zu einem Archiv. Vielleicht war hier die gefährliche Methode im Spiel… Letztlich waren die großen Bilder auch nicht in der Lage, dieselbe Qualität wie die kleinen Arbeiten aufzubauen. Mein Interesse konnten sie schon gar nicht mehr befriedigen. Es ging also nicht weiter. 

Was blieb, war aber die grundsätzliche Begeisterung für diese seltsame Erinnerung und für die damit verbundenen Gefühle. Ich musste also meine Arbeit grundlegend verändern, um daran anzuknüpfen. Ich entschied, dass ich es zuspitzen musste und habe die Linie zugunsten des Dinglichen verschoben. Ich bin damit näher an meine unmittelbare Umgebung gerückt und begann 2016 zunächst damit, Alltagsgegenstände zu malen. Eine neue Serie ist entstanden - die Common Things. Tatsächlich wurde mein Kosmos dadurch nicht enger, sondern zu meinem Erstaunen viel größer – ich ließ einfach wieder mehr zu. 

Du hast mir im Zusammenhang mit deiner „abstrakten Figuration“ - wenn man es so nennen möchte - mal gesagt, dass du „eher formale Entscheidungen und keine narrativen Entscheidungen triffst“. Kannst du erläutern, wie du das meinst? 

DSC_3430.jpg

Dieser Umstand ist hauptsächlich meiner Vorgehensweise und ganz klar diesen Erfahrungen mit der Abstraktion geschuldet. Ich gelange von der ungrundierten Leinwand langsam – zunächst über dünn lasierte Farbflächen, dann über Lineaturen, welche sich überlagern – zu den Formen und schließlich zu den Gegenständen, die meine Bilder „bewohnen“. Das geschieht in unzählig dünnen Schichten bis hin zu sehr pastosen Konkretionen. Dabei treffe ich die Entscheidungen ausschließlich formal und nicht narrativ. Soll heißen, da ist nicht die schnuckelige Einzimmerwohnung, in der ich eine bestimmte Geschichte ausbreiten will. Das interessiert mich nicht beim Arbeiten. Sondern ich treffe alle meine Entscheidungen anhand von Form, Farbe, Textur, Fläche, Struktur, Spur usw. Das führt dann wiederum zu diesem seltsamen Zustand, dass die Bilder irgendwie nicht stimmen, aber doch richtig sind. Der sehr willkommene Effekt dabei ist, dass dieses besondere „Falsch eigentlich die Malerei als autonome Entität emanzipiert.

In deinen Interieurs befinden sich niemals Menschen. Dadurch habe ich das Gefühl, man soll sich als Betrachter alleine in den Räumen und mit diesen Dingen zurechtfinden und auch mit sich selbst konfrontiert werden. Kannst du das nachvollziehen und ist das so gewollt?

Absolut. Gewissermaßen ist das ein willkommener Nebeneffekt, wobei die Entscheidung, keine Menschen auftauchen zu lassen, schon sehr früh gefallen ist. Also bevor ich eigentlich so recht wusste, wohin mich die neuen Arbeiten bringen, war klar, dass mich Menschen im Bild nicht interessieren. Heute kann ich auch sagen, dass sie ablenken würden. Die Gefühle, welche du beschreibst, dieses sich Hingezogenfühlen, gleichsam alleine, orientierungslos und ein wenig ohnmächtig zu sein, sind super produktiv für mein Anliegen. Ich mag es, wenn die Arbeiten einen angehen. Ich behaupte daher, diese Gefühle wären einfach nicht vorhanden, wenn du als Betrachter, Zaungast eines Schauspiels unzähliger Protagonisten auf der Leinwand wärst.  

Es ist offensichtlich, dass Du nicht Realität abbilden willst. Du verzerrst Perspektiven, lässt Dinge bewusst offen. Irgendwie imperfekt und dadurch absolut stimmig, was ich großartig finde. In meinen Augen stellen deine Bilder die Frage: Was ist unsere Wirklichkeit? Ist es das, was wir sehen oder eher was wir erinnern, was wir fühlen? Weißt du, was ich meine?

20200928_175149.jpg

Ich versuche es mal so zu beschreiben: Das Imperfekte ist etwas sehr Schönes und Einzigartiges – es ist ja auch nur imperfekt, wenn man es mit dem vermeintlich Perfekten vergleichen würde. Für die Malerei ist es aber vielleicht genau richtig. In jedem Bild entsteht ein Gefüge, das Gesetzmäßigkeiten entwickelt, die wiederum nur dort existieren. Eine krumme, händisch gezogene Linie, kann zum Beispiel so schön, so lebendig sein und daher genau richtig. Wieso sollte man diesen grenzenlosen Bildraum also nicht nutzen, um das zu zeigen, was nur dort möglich ist? Das Darstellen von Realität interessiert mich daher überhaupt nicht, zumindest nicht als direkte Wiedergabe. Jedes Bild ist eine eigene Realität und Malerei ist nicht unserer Realität verpflichtet, sie muss nicht stimmen und kann dennoch wahr sein. Harriet Zilch hatte dazu in ihrem Text „Kein Name trifft es ins Herz“ einmal geschrieben: „[…] dass das Wahrscheinliche nicht wahr sein muss, nur weil es nicht falsch ist“. Gute Bilder sind immer Behauptungen. Was heißt dann schon perfekt… Ein gemalter Stuhl ist ja kein Stuhl, sondern erfüllt bestenfalls nur dessen typologische Eigenschaften, damit wir ihn als solchen identifizieren und zuordnen können. Ich kehre bewusst an den Punkt zurück, an dem die Malerei sich langsam von der Wiedergabe der Realität gelöst und begonnen hat, aus sich selbst heraus eben jene malerischen Behauptungen aufzustellen. Genau dahin wollte ich mein Brennglas verschieben, als ich begann, den Gegenstand zuzulassen. Die Erfahrungen und Erinnerungen, die wir aber aus der Realität beziehen, interessieren mich – genau da wird es dann total irrational. Sehen wir dasselbe Grün? Irgendjemand hat uns doch mal gesagt, dass das „grasgrün“ ist, aber haben wir dieselbe Wiese im Kopf? Und was löst es in uns aus?

Es ist mehr eine Innenwelt, der ich gerne eine „Bühne“ bereiten möchte.

Das Vibrieren dieser Demarkationslinie, das Verschieben und Balancieren auf ihr soll einen Zustand befördern, der eine Sichtbarmachung ermöglicht und dabei der Malerei als unserem Gegenüber eine wirklich ernsthafte Rolle zukommen lässt. 

DSC_3589.jpg

Ich finde genau da, wo es gewissermaßen irrational wird, wird es besonders spannend. Und ich finde die Beschreibung einer Innenwelt, der man eine Bühne bereitet, großartig für die Malerei im Allgemeinen ehrlich gesagt. In unserem letzten Gespräch sagtest du, dass du im besten Fall mit dem Bild im Dialog stehst. Und du dann vielleicht nicht das malst, was du mal geplant hast, sondern eher das, was das Bild von dir fordert. Schaffst du es, dass dich deine eigenen Bilder überraschen?

Auf jeden Fall tun sie das. Ständig und in der Regel dann, wenn ich es nicht brauchen kann (lacht). „Geplant“ trifft es zusehends ohnehin nicht mehr, es ist vielmehr eine Ahnung. Ich arbeite daran, dass ich einen Zustand bewahren kann, in dem stets ein Richtungswechsel zugunsten der Arbeit möglich sein muss. Zementierte Vorstellungen, meine Wünsche und Sehnsüchte sind schlechte Berater an dieser Stelle, denn die Arbeit nimmt im Zweifel darauf keine Rücksicht. Ich habe manchmal das Gefühl, dass ich eher die Bilder finden muss, als dass ich sie erschaffe.

Erlebst du das Malen eher als eine handwerkliche oder eher als eine intellektuelle Herausforderung? Oder geht das untrennbar Hand in Hand?

Es geht meist Hand in Hand. Wenngleich mich das Malen zusehends mehr intellektuell herausfordert… Wenn dir dann aber eine Arbeit gelingt, dann sieht es bestenfalls so aus wie die einfachste Sache der Welt (lacht).

Stell dir vor, sie würden noch leben - würdest du lieber ein Bier trinken mit Francis Bacon, Kurt Cobain oder Jean-Michel Basquiat?

Ganz klar, Francis Bacon.

Warum er?

Das lässt sich einfach beantworten. Ich bin fasziniert von Bacons Oberflächen und seinen Kompositionen. Dieses Auf- und Abtragen, diese Flächen, welche er mit dem Lappen regelrecht in den Stoff gerieben hat. Daneben das Sinnliche, als Körper, aber eben auch als erfahrbares Material… 
…und ich denke, bei ihm bliebe es nicht bei einem Bier.

Haha, ja das glaube ich gern. Aber von Bacon zurück zu deinem eigenen Werdegang: Du hast eigentlich eine Ausbildung zum Informatiker gemacht, das klingt ja erstmal ungewöhnlich für einen Maler – wie kam dieser Wechsel zustande?

Oh, oh… hidden tracks! (lacht). Es hat mich bestimmt geprägt und markiert einen Endpunkt einer ganz bestimmten Phase meines Lebens. Weniger den Job betreffend, sondern vielmehr steht der Job für eine Leidenschaft, welche mich meine Kindheit und Jugend begleitet hatte, aber auch für gewisse Erwartungen von außen. Im Prinzip hat der Job für mich heute keine Relevanz mehr, zumal das nahezu 15 Jahre zurückliegt. Allein aufgrund der verstrichenen Zeit könnte ich in dem Bereich nichts mehr leisten. Da ist viel passiert. Man muss sich nur vorstellen, dass es damals, als ich den Job gemacht habe, noch kein iPhone etc. gegeben hat. Das kam erst 2007 in Europa auf den Markt. Meine Kollegen sind mit Blackberrys und Nokia unterwegs gewesen. Wir hatten in meiner Firma an Remotelösungen für Unternehmen gearbeitet – damals eine große Sache, heute ist das quasi in jedem Zuhause kein großes Ding mehr…  Das Büro war nicht der richtige Ort für mich. Ich wollte mehr Eigenverantwortung und etwas gestalten… so habe ich gekündigt und eine stille Leidenschaft bekam eine Chance. Insofern spreche ich selbst nie von einem Wechsel, sondern ich hatte mich bewusst gegen etwas entschieden, aber nur eine vage Vorstellung von meiner Zukunft. 

Sorry, dass ich da soweit aushole und in die Vergangenheit zurückgehe, aber ich finde vor allem diese Entscheidungen, die zu einem bestimmten Werdegang führen, sehr interessant. Du hast die Weiterentwicklung der Digitalisierung angesprochen, dazu gehört auch die krasse Entwicklung der sozialen Medien. Mittlerweile ist instagram für viele junge Künstler ein wichtiger Kanal. Du bist selbst sehr erfolgreich auf Instagram. Wie wichtig ist Selbst-Promotion? 

Ob es wichtig ist, kann ich nicht sagen. Ich glaube einfach, dass es die gesamte Landschaft bzw. die bereits angesprochene Infrastruktur umgekrempelt hat. Seine Arbeit oder wie wir es ebenso oft erleben, sich selbst einem breiten Publikum zu zeigen, ist viel einfacher geworden. Es ist ein Werkzeug. Es lässt sich kaum noch wegdenken und ich würde auch immer eine Lanze dafür brechen. Man muss kritisch damit umgehen ja, aber es hat uns alle auch ein Stück näher zusammengebracht. Ich stehe mit einer Handvoll Kollegen in regelmäßigem Austausch und es bietet unzählige Möglichkeiten, sich zu informieren und Neues zu sehen. Begegnungen wie unsere hier, wären vielleicht zuvor so nicht drin gewesen. Ich würde also nie sagen, dass man im Sinne von Selbst-Promotion dabei sein muss, aber man sollte sich vielleicht einmal damit befasst haben. Für mich hat es gut funktioniert. Ich bin relativ spät dazu gekommen – etwa 2015-2016. Bis dato hatte ich schon meine Spur gefunden und ich hatte bereits einige Erfahrungen mit Galerien und Ausstellungen gesammelt. Somit war ich in der Lage, mir auch zu überlegen, wie ich mit diesem Werkzeug, in Bezug auf meine Arbeit und meine Position als Autor, umgehen möchte.

Fabian-Treiber_Painting____All-of-a-Sudden-there-was-a-big-wind____2020____160x290cm____photo_Fabian-Treiber130120_118-1_1_.jpg

Es gibt angeblich diesen Effekt, dass Bilder mehr Likes bekommen, wenn der/die Maler*in daneben steht. Stimmt das überhaupt? Und wie schlimm ist sowas für dich?

Keine Ahnung. Ist abermals so etwas, was mich eigentlich überhaupt nicht interessiert und betrifft mich eher selten. Ich selbst hatte zwar ebenso den Eindruck, aber kann keine Regel daraus ableiten. Du sprachst ja bereits von Selbst-Promotion und dachtest dabei bestimmt eher an die Position bzw. die Arbeit… die Frage an sich, wie wichtig es ist, den Menschen hinter der Arbeit zu kennen, ist glaube ich schon sehr alt… Bei künstlerischen Arbeiten interessiert mich das zumeist eher weniger. Ich hab allerdings ein wenig Sorge, dass man das Publikum auch falsch konditionieren könnte. Ein gewisser Voyeurismus ist ganz normal und auch erwünscht. Das Studio, als Ort der Produktion und die Künstler*innen üben immer noch eine große Faszination auf das Publikum aus. Dem würde ich nachgeben. Dennoch empfinde ich Selbstpromotion oft ambivalent… nützlich, aber eben auch manchmal narzisstisch… Wirklich schwer zu sagen und wohlmöglich kommt es auch auf den Anlass an… Die Dosis macht das Gift. Vielleicht stört mich persönlich ein wenig dieser Lifestyle-Aspekt, der vieles aus dem künstlerischen Arbeiten vollkommen verklärt…  Es fällt mir wirklich schwer das einzuordnen…  Chloe Wise hat, so scheint es, ihre künstlerische Identität quasi komplett online gestellt. Oder aber das, was wir sehen können und sollen. Es scheint alles verwoben zu sein. Solche Phänomene sind gewissermaßen in Zeiten von Social Media noch nicht besonders alt, zumindest bei Malern, und daher wird sich auch hier zeigen, wo und wie man das irgendwann einordnen kann. Es verändert aber unsere Wahrnehmung von künstlerischer Produktion und der Autoren dahinter. 

Ja, das auf jeden Fall. Und den Ansatz von Chloe Wise beobachte ich auch halb irritiert, halb bewundernd – vielleicht hab ich’s auch einfach noch nicht ganz kapiert (lacht). Gerade im Zusammenhang mit Social Media finde ich auch neue Positionen, wie beispielsweise die von Andy Kassier spannend. Aber eigentlich wollte ich dich noch was ganz anderes fragen: Du hast mir mal erzählt, dass du ein großer Philip Guston Fan bist – was begeistert dich an seiner Arbeit? Und welche Künstler inspirieren dich noch so?

20201118_113940.jpg

Das Besondere an Philip Guston ist für mich, dass er einer der wenigen Künstler ist, welcher mich eigentlich seit Beginn meiner eigenen künstlerischen Arbeit begleitet und inspiriert hat. Ich begann mein Studium mit Zeichnungen - bis dato hatte ich nicht gemalt -  und so kam mir der erste Katalog unter die Augen, welcher ausschließlich seine Zeichnungen behandelt hatte. Mehrheitlich abstrakte Arbeiten. Ich begann zu malen, zunächst abstrakt und da war er wieder… Heute ist er in meiner Hall of Fame, da er zugunsten dessen, was er ausdrücken wollte, eine vollkommen neue und ehrliche Bildsprache für sich entwickelt hatte. Den ganzen Prozess hat er ebenso klug beobachtet und begleitet. Es gibt großartige Essays, Schriften und Aufzeichnungen/ Transskripte von Vorlesungen, welche er gehalten hat. In einem Vortrag von 1978 hatte er einmal beschrieben, wie die Bilder in ihm aufkommen und dann raus müssen, wie irrational das dann erscheint und man dadurch von einer Idee zur anderen kommt. Das war für mich immer der perfekte Gegenentwurf zu all jenen, die oftmals ihre Kunst nur über die Kunsttheorie begründet haben und war mir daher irgendwie total sympathisch. Nagel mich nicht auf den exakten Wortlaut fest, aber er spricht beispielsweise von Autofahrten bei denen die Wohnblocks am Straßenrand aussehen, als würden sie marschieren. Dieses Machen, sich etwas Ermalen und auch dieses Zermalen, diese tiefe und ehrliche Auseinandersetzung mit dem Werk bewegt mich. Beispielsweise Schuhe zu malen, hunderte Bilder sind entstanden und er schließt mit der Erkenntnis: „Die sichtbare Welt, so scheint mir, ist abstrakt und rätselhaft genug; Ich glaube nicht, dass man sich von ihr lösen muss, um Kunst zu machen“. Später ist zu lesen, dass ihm die Vorstellung einfach gefiel, sich einen Ort zu schaffen - vielmehr vorzustellen, um seine Motive zu erarbeiten. Er wollte einfach sehen wie das aussieht, wie sich das anfühlt und sagt schlussendlich „Aha, so wird das also aussehen“. Ich fand das damals sowas von inspirierend. Ein weiterer Held ist David Hockney, der ebenso klug, gelassen und einfach über seine Arbeiten sprechen kann. Ansonsten gibt es da unzählige weitere Positionen und Arbeiten, welche mich begeistern und inspirieren. Beispielsweise Andreas Schulze, Bruno Goller, Paolo Uccello, Alpha & Chris Hipkiss, Marcus Weber, Polke, Alex Katz, Miriam Cahn, Ginny Casey, Shara Hughes, Charline von Heyl, Lee Lozano, Ida Ekblad, Norbert Schwontkowski, Bonnard… tbc.

Das ist eine tolle Formulierung „sich etwas Ermalen“, gefällt mir sehr.  Wie geht’s nun bei dir weiter? What’s next? 

Galerie Mark Mueller_Fabian Treiber_2020_05_MidRes.jpg

Vor wenigen Tagen, habe ich in Zürich in der Galerie Mark Müller meine Ausstellung Painting the Night Unreal eröffnet und freue mich ganz besonders, dass wir das noch durchziehen konnten. Ich habe seit Monaten auf die Ausstellung hingearbeitet, mit Unterstützung der Galerie auch noch aus der Ferne die Räume farblich gestalten können. Schlussendlich hatten wir eine tolle Eröffnung. Ich bin sehr dankbar, dass ich mit Galerien zusammenarbeiten darf, welche sich ganz klar zu meiner Arbeit bekennen. Die Ausstellung beinhaltet einige großformatige Arbeiten und widmet sich der Nacht beziehungsweise genauer, der Zeit. Nun ist es etwas ruhiger und ich kann, sobald ich meine vorsorgliche Quarantäne hinter mich gebracht habe, langsam auf nächste Termine hinarbeiten. Ich habe meinen Kalender, auch aufgrund der Covid-Erfahrungen, radikal ausgesiebt und plane die nächste fixe Ausstellung daher erst im April 2021. Dann werde ich eine Solokoje mit KANT auf der ArtBrussels bespielen, einen Monat später habe ich dann meine Soloshow mit Ruttkowski;68 in Paris. Vor wenigen Minuten habe ich allerdings mit einer Galeristin aus Italien telefoniert, die ich gut kenne und sehr schätze. Sie hatte mich zu einer schönen thematischen Gruppenausstellung im März 2021 eingeladen – da kann ich vielleicht kaum widerstehen! (lacht)

Das klingt sehr gut, da freue ich mich drauf und werde das im Auge behalten. Danke für das Interview!

Ich hab´ dir sehr zu danken Malte!

20201118_112155.jpg

Photos:
Annette Kradisch, Conradin Frei, Nils Müller

Malte Buelskaemper