Janes Haid-Schmallenberg
Janes Haid-Schmallenberg (*1988 in Warstein) hat an der Kunstakademie in Düsseldorf studiert, er lebt und arbeitet heute in Berlin. Unser Gespräch fand im Juni 2020 in seinem Atelier nahe Gesundbrunnen im Wedding statt. Darin geht es unter anderem um die Studienzeit, um die Suche nach dem Gegenteil von abgeklärter Malerei, um den Spaß an Skulpturen, um Tagträume, Kopfkino,
MC Bomber und vieles mehr.
Hey Janes, schön hier zu sein. Danke, dass du dir die Zeit nimmst. Wie geht’s dir, hast du den Lockdown gut überstanden?
Ja, hier war glücklicherweise alles recht unproblematisch.
Hat sich diese besondere Zeit irgendwie ausgewirkt auf deine Arbeit?
Ich arbeite eigentlich nicht so, dass ich konkrete Erfahrungen oder Gedanken nehme und in etwas Künstlerisches verwandele. Aber wenn ich bestimmte Phasen rückwirkend betrachte, erkenne ich natürlich oft die Auswirkungen der jeweiligen Umstände.
Ende letzten Jahres hattest Du die Solo-Ausstellung „What we’ve learned so far“ bei SETAREH X in Düsseldorf. Dort hast du neben deinen Bildern auch Keramiken ausgestellt, wie z.B. die wundervollen Arbeiten „Affe nervt“ und „Was tun 1“. Seit wann machst du überhaupt Keramiken?
Ich habe 2015 zum ersten Mal was geknetet. Richtig brennen und so mache ich seit 3 Jahren.
Hier in deinem Atelier stehen ja noch einige weitere Keramiken – da kommt also noch mehr in der Richtung, oder?
Ja, am 13. November eröffne ich zusammen mit Ross Taylor eine Ausstellung in der Galerie Russi Klenner. Ich werde dort nur Keramiken zeigen, während Ross nur Bilder zeigt. Zur Zeit experimentiere ich mit höheren Brenntemperaturen und eigenen Glasuren.
Die Keramiken wirken nicht so, als wenn sie aus deinen Bildern „herausgefallen“ sind, sondern im Gegenteil eher wie Gegenspieler, die mit den Figuren aus deinen Bildern in Dialog treten. Wie ist das Verhältnis zwischen deinen Bildern und deinen Keramiken?
Ich habe bei beiden Medien grundsätzlich schon ähnliche Bilder im Kopf. Malen ist für mich aber eher eine geistige, hinterfragende Angelegenheit, wobei mir die Wirkung eines Bildes weniger wichtig ist als die Reflexionsebene, die es erreicht. Bei den Skulpturen ist das anders. Da gönn ich mir den Spaß, einfach nur auf die Wirkung zu setzen. Dahingehend helfen mir die Skulpturen auch auf jeden Fall, mich nicht so sehr zu verkopfen. Wenn die also für dich als Gegenspieler wirken, freut mich das natürlich.
Du hast hier auch einige Zeichnungen und Skizzen liegen. In wie weit „planst“ du deine Bilder vorher und wie viel entsteht spontan im Prozess?
Es kommt sehr selten vor, dass ich eine Zeichnung oder Skizze direkt nutze, um sie in ein größeres Bild umzuwandeln. Aber ich versuche natürlich durch Zeichnen mein Repertoire an malbaren Dingen zu erweitern. Im Zusammenhang mit den Bildern brauche ich die Zeichnungen vor allem, um schlechte Entscheidungen vorzubeugen. Ich bin zum Beispiel oft zu aufgeregt oder ungeduldig, wenn ich anfange ein Bild zu malen. Ich versuche dann durch vorheriges Zeichnen zu verstehen, in was für einem Gemütszustand ich mich gerade befinde und wenn ich mir darüber im Klaren bin, fange ich mit dem Malen an.
Wie schafft man es,
sich mit seinen Arbeiten selbst zu überraschen? Beziehungsweise: willst du das überhaupt?
Das ist für mich jetzt nichts, was mich sonderlich erfüllt. Ich habe eher Fragen an Bilder oder Ahnungen, wie Bilder aussehen könnten. Denen laufe ich hinterher. Natürlich passiert es da auch mal, dass man überrascht wird und das freut mich dann wahrscheinlich auch. Aber das ist jetzt kein antreibendes Interesse.
Deine Arbeiten wirken auf mich manchmal wie Traumbilder. Da treffen sich oft Gegenstände, Figuren und auch graphische Elemente, die eher assoziativ verbunden sind als irgendwie logisch. Dadurch entsteht eine tolle Spannung und man kann ewig davor verbringen und sich da hineinsehen. Ist dir das wichtig, was die Leute da drin sehen oder blendest du das eher aus?
Traumbild klingt mir ein bisschen zu romantisch nach der anderen, geheimnisvollen Seite des Lebens. Aber die Beobachtung an sich ist auf jeden Fall richtig. Ich versuche mit den Bildern oft eine Darstellungsform für die unzählbaren kleinen Gedanken und beiläufigen Tagträume, die sich die ganze Zeit in jedem von uns abspielen, zu finden. Kopfkino wie man so schön sagt.
Okay, verstehe. Auf mich wirkt es oft ein bisschen bedrohlich und manchmal auch melancholisch. Oder hab ich da was missverstanden und die Arbeiten sind eher ironisch und humorvoll gedacht?
Ja, dass sind so Strategien, um Bewegung in das Bild zu bekommen und um dem Betrachter das Gefühl zu vermitteln, dass da irgendwas passiert. Dadurch kann man das Bild nicht mehr unter den Kriterien einer reinen Malerei betrachten und das man das so einfach aushebeln kann, ist für mich auch eine Art und Weise, humorvoll mit der Malerei umzugehen.
Gibt es konkrete Themen, die du bearbeitest oder Botschaften, die du gerne vermitteln möchtest mit deinen Arbeiten?
Ja, schon, aber es ist mir nicht so wichtig, dass etwas Bestimmtes beim Betrachter ankommt. Ich möchte nur, dass man beim Betrachten meiner Bilder das Gefühl hat, dass es definitiv Dinge gibt, die mir wichtig sind.
Du hast an der Kunstakademie Düsseldorf studiert in der Klasse von Siegfried Anzinger. Wie war das so? Was hast du aus der Zeit mitgenommen?
Am Anfang war es natürlich unheimlich aufregend für mich. Ich bin ja in einem kleinen Dorf aufgewachsen und hatte da natürlich wenig Gleichgesinnte. In Düsseldorf kriegst du dann auf einmal als junger Mensch eingetrichtert, dass es nichts wichtigeres als die Kunst gibt und du als Student da auf ner Art heiligen Mission bist. Das hat damals auch ziemlich in mein Selbstverständnis gepasst und eine Zeit lang ist das dann natürlich auch ganz geil. Irgendwann sollte man natürlich anfangen, dass zu hinterfragen. Bis dahin habe ich die Akademie aber vor allem als Schutzraum begriffen, in dem man Bafög dafür bekommt, sich mit Kollegen in der Kneipe über Kunst zu streiten und hin und wieder ein paar Bilder zu malen. Ich denke, dass hat mir am Ende auch geholfen, meinen Weg zu finden. Die Professoren haben dahingehend auf jeden Fall eine untergeordnete, wenn nicht sogar schädliche Rolle eingenommen.
Wie war für dich der Wechsel von Düsseldorf nach Berlin – hat sich das auch auf deine Arbeiten ausgewirkt?
Ich habe nach Düsseldorf erst zwei Jahre in Köln gelebt. Dort habe ich dann so minimalistische abstrakte Sachen gemacht. In meiner Anfangszeit in Berlin wollte ich da unbedingt von weg, weil ich plötzlich das Gefühl hatte, dass der Fremdeinfluss bei diesen Bildern extrem groß war. Mich hat auch diese weit verbreitete Haltung, die Malerei sozusagen offen gelegt und zu Ende gedacht zu haben, einfach extrem gelangweilt. Ich habe dann überlegt, was das genaue Gegenteil von dieser abgeklärten, coolen Malerei sein könnte und meine Antwort darauf waren dann so figürliche, bunte Märchenbilder.
Ich bin mal auf ein Video gestoßen, wo MC Bomber über deine Arbeit spricht. Hat mir sehr gut gefallen. Was ist die Story dazu?
Ich habe ihn 2012 auf einer Ausstellung kennengelernt und seitdem sind wir gut befreundet. Ich hatte dann eine Ausstellung bei Storage Capacité und brauchte einen Text dafür. Da hab ich ihn gefragt und anstatt eines Textes das Video bekommen.
Und wie kam es dazu, dass du hier ein Bild im Atelier hast, was er gemalt hat?
Der kommt zweimal die Woche zum Kunstunterricht hier her, damit der mal was Ordentliches lernt.
Haha, sehr gut. Hast du eigentlich manchmal auch die Schnauze voll vom Malen und wärst lieber Gärtner oder Chefarzt?
Nein, nicht wirklich.
Wenn sie noch leben würden, mit wem würdest du am liebsten mal ein Bier trinken: Philip Guston, Lemmy Kilmister oder Martin Kippenberger?
Guston.
Warum mit ihm?
Kippenberger und Lemmy habe ich schon ein bisschen durch. Es gibt ja so Phasen im Leben, wo man so sein will wie die und wenn das dann abflacht, hat man da nicht mehr so viele Fragen. Das ist wahrscheinlich ‘n bisschen ignorant gegenüber deren Leistungen, aber so oder so gibt es auch ein paar technische Sachen, die ich gerne mal mit Guston klären würde.
Hörst du gerne Musik beim Malen?
Lieber Hörbücher.
Und was gerade so aktuell? Kannst du was empfehlen?
Meistens eher so seichtes Zeug, weil ich mich sonst nicht so gut aufs Malen konzentrieren kann. Gerade hör ich “Eine kurze Geschichte des menschlichen Körpers” von Bill Bryson. Das kann ich auf jeden Fall empfehlen.
Ok, werde ich mal reinhören. Und was steht so als nächstes bei dir an?
Zurzeit arbeite ich auf die vorhin erwähnte Ausstellung hin, die am 13. November bei Russi Klenner eröffnet wird. Außerdem illustriere ich gerade eine Novelle von Jan Koslowski. Sie heißt "Rabauken" und wird Anfang Oktober über den Korbinianverlag erscheinen.
Alles klar, ich bin gespannt. Danke dir für das gute Gespräch.
Gerne. Danke für deinen Besuch.