Fabian Warnsing
Fabian Warnsing, geb. 1991 in Unna, hat an der Kunstakademie Münster studiert, er lebt und arbeitet seit einigen Jahren in Berlin. 2020 gehörte er zu den Finalisten des Berlin Masters Award. In den letzten Jahren hatte er zahlreiche Einzelausstellungen und war in diversen Gruppenausstellungen vertreten. Kurz nach der Eröffnung seiner Solo Show “RAIN DROPS RAIN BOWS” bei der Galerie König in London trafen wir uns in seinem Atelier in Berlin-Neukölln. Seine oft großfomatigen Arbeiten bedienen sich klassischer Gattungen, wie Stillleben, Interieur oder Akt, holen diese jedoch auf sehr reizvolle Art durch die Motivik und Ästhetik ins Heute. In unserem Gespräch geht es um die vielen Entscheidungen im Malprozess, um Inspirationsquellen, den Umzug von NRW nach Berlin, die Vor- und Nachteil des digitalen „Konsumierens“ von Kunst und vieles mehr.
In den vergangenen zwei Jahren, während der Pandemie, warst du sehr produktiv und hattest diverse Ausstellungen, unter anderem bei NBB Gallery, Weserhalle, Grove Collective, akkurat labs, Berlin Masters, du warst bei MISA dabei, also Messe in St. Agnes, und hattest zuletzt eine Solo Show bei König in London. Wie kam es dazu, dass so extrem viel los war?
Ich hatte viel Zeit im Atelier. Da ist viel entstanden, das musste dann gezeigt werden. Ausstellungen sind ja eine der wenigen Formate im Kulturbereich, die auch während den Phasen, wo Konzerte oder ähnliches überhaupt nicht in Frage kamen, noch ganz gut umsetzbar waren. Aber es hatte sich auch kurz vorher gerade einiges entwickelt und so kam in der Zeit dann recht viel zu Stande.
Wie wirkt sich die steigende Nachfrage auf dich aus: eher so, dass der Druck steigt, produktiv zu sein oder nimmt es eher Druck raus, weil’s gut läuft?
Sowohl als auch. Generell gibt mir das schon ein bisschen Ruhe, aber in der Phase direkt vor einer größeren Ausstellung zum Beispiel, überwiegt dann auch schon mal der Stress.
Warum hast du dich eigentlich für das Medium Malerei entschieden, um dich auszudrücken?
Ich habe eigentlich schon immer gezeichnet. Seit ich klein bin. Es war für mich schon immer eine Art Werkzeug, um Dinge zu verarbeiten oder zu speichern – aber auch als Spiel und um Sachen zu erfinden. In der Kunstakademie hat man dann alles mögliche ausprobiert, aber ich habe recht schnell gemerkt, dass mich eigentlich die reduzierte Form des Zweidimensionalen interessiert. Das Rechteck innerhalb dessen alles ausgehandelt werden kann.
Gab es diesen Moment, wo du wusstest: ok, jetzt wird es was mit der Kunst und ich kann davon leben? Und wann war der?
Das ist ja alles eine Entwicklung. Ich bin sehr dankbar dafür, dass ich gerade gut davon leben kann, aber einen absoluten Moment, ab dem das so war, gab es nicht.
Wo nimmst du deine Inspiration her? Und wie finden die Beobachtungen, die du machst, den Weg auf die Leinwand - kannst du den Prozess etwas beschreiben?
Eigentlich immer durch Zeichnungen, Skizzen. Manchmal mache ich auch Fotos. Oft ist das nur ein kurzes Einfangen. Vergleichbar mit einer Notiz, ein Stichpunkt. Egal, wo ich bin oder was ich sehe, auch aus dem Internet oder Film und Fotos oder im Museum. Diese Zeichnungen dienen dann als Grundlage für die Bilder.
Du arbeitest dich viel an kunsthistorischen Klassikern ab, wenn man das so sagen kann, also beispielsweise dem Stillleben oder auch dem weiblichen Akt - was reizt dich daran?
Ich denke viel aus der Bildgeschichte beeinflusst unser Sehen, unsere Wahrnehmung, unsere Bildwelt bis heute. Es interessiert mich, diese Einflüsse zu erforschen und mit aktuellen Diskursen zusammenzuführen auf eine Art.
Man findet bei dir unterschiedliche Bezüge zur Popkultur und manchmal auch Referenzen zu einer digitalen Ästhetik oder retro-digital sag ich mal, manches erinnert auch an Renderings – was magst du daran?
Anknüpfend an das, was ich eben sagte, ist das digitale Bild ja in unserem täglichen Blick. Entsprechend fließt das auch in meine Arbeit mit ein. Es interessiert mich weniger, ein digitales Rendering mit Farbe auf der Leinwand zu imitieren, aber eben diese Ästhetiken, Prozesse und dazugehörigen Unzulänglichkeiten mit aufzunehmen und mit zu verarbeiten, finde ich interessant. Ich denke diese erschaffenen Bilder und Welten, auch in Computerspielen etc. verraten sehr viel über die Vorstellungen und Wünsche unserer Zeit.
Bei deinen Arbeiten stellst du oft eine 2D Flächigkeit einer räumlichen Tiefe gegenüber. Dadurch entsteht so eine Irritation in der Wahrnehmung, die eine Spannung erzeugt. Hast du immer schon mit diesem Gegensatz gespielt oder hat sich das erst so nach und nach entwickelt?
Das kam nach und nach. Man entwickelt ja mit der Zeit einen speziellen individuellen Blick. Und wenn man dem Nachgeht, fängt man an zu Entdecken. Sachen, die vorher banal waren oder unscheinbar oder einfach völlig egal, werden super spannend. Den von dir beschriebenen Moment hat ja ein Gemälde in irgendeiner Form immer inhärent. Wenn man will. Das hat mich lange nicht mehr losgelassen und ist in meine Arbeit mit eingeflossen.
Manchmal verliert sich bei dir das Figurative etwas und löst sich ins Abstrakte auf, bleibt aber immer in einer gewissen Balance – reizt es dich manchmal, noch stärker in die Abstraktion zu gehen?
Es schwankt ja schon immer ein bisschen und kommt einfach aufs Bild an. Zu sehr aufgelöst würde aber die eben genannte Spannung mit verloren gehen.
Wie viel Zufall steckt in deinen Arbeiten? Oder anders gefragt: wie sehr überraschst du dich manchmal selbst?
Kommt auch sehr aufs Bild an. Oft passiert einiges noch im Prozess, was ich vorher nicht wirklich plane, aber von Zufall würde ich hier nie reden.
Ja, verstehe. „Zufall“ ist vielleicht nicht das treffende Wort, es sind eher „ungeplante“ Dinge, die unterwegs passieren.
Stimmt es eigentlich, dass du auch mal Tätowierer warst bzw. machst du das immer noch? Und hast Du bestimmte Dinge oder Erfahrungen von den Tattoos in die Malerei übernommen?
Ich finde es ein interessantes Medium, auch weil es niedrigschwellig ist, und sich Leute für meine Zeichnungen interessiert haben, die niemals in eine Galerie gehen oder sonst in Kontakt mit meiner Arbeit gekommen wären. Da habe ich viel experimentiert, aber mich nie als Tätowierer gesehen.
Du kommst aus dem Ruhrgebiet, wie ich selbst auch, und hast in Münster studiert – wie war der Wechsel nach Berlin, hatte das auch Auswirkungen auf deine Arbeit?
Inhaltlich weniger. Aber natürlich muss man sich in einer neuen Stadt gerade in der Zeit nach der Akademie erstmal sortieren, das hatte schon Auswirkungen. Und auch wenn es für mich keine direkten inhaltlichen Auswirkungen auf meine Arbeit hat, halte ich es für wichtig, mehr verschieden Lebensrealitäten im Alltag wahrzunehmen, als die einer reichen Stadt und die der Kunstakademie.
Das kann ich gut nachvollziehen. Und sicher wirkt es sich – wenn auch manchmal nicht unmittelbar, oder auch unbewusst – dann doch irgendwie aus, auf das, was man so produziert.
Deine Arbeiten haben viele „Layer“, man sieht regelrecht die (Um-)entscheidungen, den Prozess, das Übermalen, das Wegnehmen und so weiter. Magst du es, wenn der Betrachter somit die Prozesshaftigkeit deiner Arbeiten nachspüren kann?
Ja das ist mir total wichtig. Und damit meine ich nicht den genialen Pinselstrich, sondern im Gegenteil, das Zweifeln und die Unsicherheiten, die Fragen, die sich mir stellen, sichtbar und so auch erfahrbar zu machen, ist ein ganz wichtiger Teil des Ganzen.
Was auf instagram bzw. online oft sehr akkurat aussieht, entpuppt sich hier live im Atelier, oder wenn man auf Aufstellungen vor deinen Bildern steht, als malerischer. Ich meine das im Sinne von: man erkennt mehr Textur, mehr Duktus, kleine Unsauberheiten und bewusst gesetzte Imperfektion - wie geht es dir damit?
Wie gesagt, wenn die Betrachter*in im Bild erleben kann, wie ich nachdenke und wo ich zweifle, Stellen übermale, Körperteile verändere etc., eröffnet das eine ganz andere Ebene, die so auch im Internet kaum zu sehen ist.
Wie ist es für dich, dass Arbeiten zunehmend digital „konsumiert“ und auch bewertet werden?
Natürlich geht dabei viel verloren, aber gleichzeitig kann ich mir immer und überall von jedem beliebigen Künstler, ob tot oder lebendig, Arbeiten anschauen, teilweise sogar den Alltag im Atelier etc verfolgen. Und vor allem kann das ja theoretisch jede*r. Ich denke das ist eine Form von Zugang, die auch unglaublich viel ermöglicht.
Welche Musik hörst du beim Malen? Oder eher Podcasts?
Sehr viel Verschiedenes. Meistens eher Musik als Podcasts, aber es läuft eigentlich immer etwas.
Was sollen deine Arbeiten im besten Fall beim Betrachter auslösen? Gibt es Reaktionen, die du dir wünschen würdest?
Die Arbeiten versuchen ja nicht krass zu schockieren oder so, aber irgendetwas was einen dann doch anfängt zu stören und dann auch nach der Ausstellung unauffällig im Kopf weiterarbeitet.
Gibt es bestimmte Künstler*innen, die einen prägenden Einfluss auf dich hatten?
Auf jeden Fall. sehr viele. Das sind auch immer Phasen in denen mich bestimmte Künstler*innen oder Zeiten interessieren.
Gibt es manchmal Arbeiten, wo du neidisch bist und denkst „fuck, ich wünschte das wäre von mir“?
Nein, eher im Gegenteil. Ich freue mich immer sehr darüber, wenn ich Sachen sehe, die ich wirklich gut finde. Das gibt mir ja auch etwas.
Gab es in letzter Zeit eine Ausstellung, die dich besonders beeindruckt hat?
Vielleicht Bacon in der Royal Academy in London.
Oh ja, Arbeiten von Bacon live zu sehen, ist immer etwas ganz Besonderes finde ich. What’s next? Was liegt so bei dir an in nächster Zukunft?
Ich komme gerade aus einem langen Ausstellungsmarathon, zuletzt die große in London. Jetzt brauch ich erstmal wieder Zeit im Atelier. Es wird ein paar Gruppenausstellungen geben und es stehen auch noch ein paar Reisen an, aber die nächsten Wochen habe ich mir erstmal zum Malen freigehalten.
Danke für das gute Gespräch.
Danke dir für den Besuch.
Foto Credits:
Damien Griffith, Fabian Warnsing, Malte Bülskämper