Moritz Lindur
“Ich möchte Realitäten darstellen, nicht nur meine eigenen Gefühle oder Meinungen.”
Moritz Lindur (geb. 1993 in Köln) und ich sind uns 2021 zum ersten Mal auf einer Veranstaltung von Present Books in Berlin begegnet und seitdem stehen wir immer wieder in Kontakt und tauschen uns aus. Moritz kann man als Autodidakt beschreiben, der nie aufhört zu lernen und sich weitere Felder zu erschließen. Sein Weg ist keineswegs gradlinig, aber doch konsequent auf seine eigene Weise. Während die Kunst und die Malerei immer irgendwie da waren, ging sein Weg über sehr viele unterschiedliche Jobs, ein Wirtschaftsstudium und seine Tätigkeit als Tattoo Artist bis hin zu seinem eigenen Studio 243-Berlin. Nun widmet er sich ganz der Kunst und arbeitet auf Hochtouren für seine Solo-Show im Februar in Berlin. Wir trafen uns in seinem Studio in Neukölln und sprachen über seine künstlerische Entwicklung und Herangehensweise, die Bedeutung von Recherche, familiäre Prägung und inwiefern es besonders spannend wird, wenn unterschiedliche Wertevorstellungen und harte Gegensätze aufeinandertreffen.
Hey Moritz, ich freue mich, dass wir nun unser Interview führen können – dabei bist du ja eigentlich gar nicht neu bei Studio Talks: im Sommer letzten Jahres hast du schon an der Studio Talks Group Show teilgenommen – woran hast du seitdem gearbeitet, welche Themen haben dich beschäftigt?
Hey Malte, freut mich auch! Seit der Gruppenschau habe ich mich vor allem darauf konzentriert, das Studio-Projekt 243-Berlin aufzubauen. Dieses Studio funktioniert ähnlich wie ein Galerieraum und arbeitet mit einer Vielzahl von Künstler:innen zusammen, die projektbasiert tätig sind. Mein Fokus liegt auf Künstler:innen, die in der Grauzone zwischen Dienstleistung und Kunst agieren. Viele von ihnen haben einen Hintergrund in der Kunst. Parallel dazu habe ich ein neues Atelier in Berlin für mich aufgebaut, um meine Praxis weiter zu vertiefen. Dieses Jahr war für mich eine intensive Phase des Aufbaus.
Bevor wir da gleich tiefer drauf eingehen, kannst du zunächst ein paar Worte zu deinem Werdegang sagen: die meisten kennen dich vermutlich als Tattoo Artist, in der Kunst bist du eher als Autodidakt gestartet, wie war dein Weg?
Mein Weg war alles andere als geradlinig – holprig trifft es wohl ganz gut. Ich bin sehr früh von zu Hause ausgezogen und hatte mit 15 meine erste eigene Wohnung. Mein erster Job kam schon mit 13, und mit 16 habe ich mein erstes kleines Umzugsunternehmen gegründet. Seitdem habe ich immer viel gearbeitet. Wenn es um die Kunst geht, muss ich sagen, dass das Malen und künstlerische Schaffen schon immer Teil meines Lebens war – lange bevor ich es bewusst so genannt habe. Die ersten Malereien habe ich als kleines Kind mit meinem Vater im Atelier gemacht, und das hat sich durch meine gesamte Kindheit und Jugend gezogen. Egal ob Malerei, Zeichnen, Graffiti, Bauen oder Konzeptionieren – kreative Prozesse waren immer ein natürlicher Teil meines Lebens.
Der Begriff „Autodidakt“ beschreibt mich wahrscheinlich am besten. Ich war schon immer jemand, der sich viel selbst beigebracht hat. Auch wenn ich einen Abschluss von der Business School in Düsseldorf habe, muss ich ehrlich zugeben, dass ich kaum an der Uni war. Ich habe die Inhalte zu Hause gelernt, während ich schon Vollzeit für eine Agentur gearbeitet habe. Dasselbe galt in jedem Bereich, in dem ich tätig war – von meiner Arbeit als Dachdecker bis hin zu meiner Zeit in der Konzeption von Veranstaltungen. Mein Werdegang ist auch von viel Scheiße geprägt. In meiner Jugend bin ich viel mit dem Gesetzt in Berührung gekommen, was wohl an den Umständen und den Menschen lag, mit denen ich aufgewachsen bin. Das hat sich aber komplett geändert, als ich damals nach Berlin zog. Hier konnte ich einen klaren Neuanfang machen und mich auf das konzentrieren, was mich wirklich interessiert.
Deine Solo-Show steht nun kurz bevor, in der die Tätigkeit des Dealens und der Beruf des Dealers eine zentrale Rolle spielen. Warum hast du dich für dieses Thema entschieden?
Ich habe mich aus mehreren Gründen für das Thema Dealen bei meiner Show entschieden. Zum einen ist dies meine erste wirklich begehbare Solo-Show, die ohne Einschränkungen stattfinden kann. Meine frühere Solo-Show in Berlin fiel in die Zeit strenger Corona-Maßnahmen und konnte daher nicht so umgesetzt werden, wie ich es mir damals vorgestellt hatte und nun bin ich froh in die Kommunikation gehen zu können. Zum anderen wollte ich ein Thema wählen, zu dem ich einen starken persönlichen Bezug habe. Der Drogenhandel ist etwas, das mich von klein auf begleitet hat, da ich mit dieser Realität aufgewachsen bin. Gleichzeitig ist das Thema in Berlin allgegenwärtig und prägt das Leben in der Stadt – besonders in einem Stadtteil wie Neukölln, wo ich seit 10 Jahren lebe und arbeite.
Auf den Punkt möchte ich gerne kurz eingehen: Dein Studio liegt in einem Kiez, wo Kriminalität und Drogen zum Alltag gehören. Wieviel hat deine Arbeit mit Beobachtung und Research zu tun?
In meiner Arbeit läuft die Recherche oft parallel zu den praktischen Ausführungen. Sie erstreckt sich über einen langen Zeitraum, und ich archiviere Dinge kontinuierlich. Auch wenn ich mich aktuell auf eine bestimmte Ausstellung konzentriere – arbeite ich gleichzeitig an anderen Projekten, die mit ganz anderen Themen zu tun haben. Das gilt auch für das Projekt über den Drogenhandel: Auch wenn ich nun aktiv seit drei Monaten an der Ausstellung arbeite, läuft die Recherche zu diesem Thema schon viel länger. Die Erfahrungen, die ich dabei gesammelt habe, reichen weit in die Vergangenheit zurück. Die Geschichten, die ich aufgenommen habe, die Kontakte, die ich knüpfen konnte, all das ist über Jahre gewachsen. Die Recherche zu den Screenshots und Nachrichten zwischen Dealern und Kunden sammle ich ebenfalls schon über einen langen Zeitraum. Der ausführende Teil meiner Arbeit findet jedoch häufig in intensiven Blockphasen statt, in denen ich konzentriert und durchgehend produziere. Das sind dann die Phasen, in denen ich wirklich in die Umsetzung meiner Ideen gehe. Was sich jedoch verändert hat, ist, dass ich mittlerweile jemanden an meiner Seite habe, der mich bei der Umsetzung meiner Projekte unterstützt. Ich war schon immer jemand, der an vielen unterschiedlichen Projekten gleichzeitig arbeitet. Jetzt habe ich Unterstützung durch eine Partnerin, die mir hilft, den Kopf freizubekommen, sodass ich mich auf die Entwicklung neuer Ideen konzentrieren kann. Es geht also darum, dass ich jetzt in der Lage bin, mehrere Ausführungen parallel zu handhaben und meine Projekte effizienter voranzutreiben. Ein besonderer Dank geht hier an Karolina, die mir enorm den Rücken stärkt und immer wieder die richtigen Fragen stellt.
Du arbeitest eigentlich eher wie ein Journalist, der Berichte liest, mit Betroffenen spricht etc. – nur mit dem Unterschied, dass du es am Ende nicht aufschreibst, sondern künstlerisch interpretierst, oder?
Ich komme aus einem Umfeld, in dem Fakten und Information immer eine große Rolle gespielt haben – meine Mutter arbeitet beim Westdeutschen Rundfunk, und mein Opa war bei der Deutschen Welle tätig. Schon immer, wenn es zu Hause um Diskussionen ging, musste ich mit Fakten argumentieren. Gleichzeitig habe ich es schon immer gemocht, Dinge zu sortieren – auch wenn es vielleicht etwas seltsam klingt. Ich möchte Realitäten darstellen, nicht nur meine eigenen Gefühle oder Meinungen. Oft habe ich festgestellt, dass in unserer Gesellschaft die Wiedergabe von Daten entweder fehlt oder oft missverstanden wird. Deshalb versuche ich in meiner Arbeit und den Arbeiten, die ich mache, genauso wie in Gesprächen, immer ein solides Fundament zu bieten – nicht basierend auf falschen Tatsachen oder meinen persönlichen Gefühlen, sondern auf der Darstellung von Realitäten.
“Der Begriff Autodidakt beschreibt mich wahrscheinlich am besten. Ich war schon immer jemand, der sich viel selbst beigebracht hat.”
In den vergangenen 10 Jahren hattest du einige Auslandsaufenthalte, du hast an vielen Orten auf der Welt gelebt und gearbeitet – inwiefern beeinflusst auch das deine Arbeit?
In den letzten zehn Jahren habe ich an vielen Orten der Welt gearbeitet und gelebt – ‚gelebt‘ ist vielleicht sogar zu viel gesagt, denn wirklich fest war ich nirgendwo. Berlin war zwar immer meine Base, aber oft habe ich diese monatelang nicht gesehen. Ich war viel in Paris und London, ständig am Reisen und am Flughafen, und hatte das große Glück, durch meine beruflichen Tätigkeiten längere Aufenthalte in verschiedenen Städten machen zu können. Bis heute erstreckt sich mein Freundeskreis über die ganze Welt, und gerade meine engsten Freunde sitzen alle in unterschiedlichen Städten. Dieser Austausch ist für mich nach wie vor unglaublich wichtig, gerade in Bezug auf zeitgenössische Kunst und das politische Geschehen.
Ich finde auch spannend, welche Materialien du nutzt, beispielsweise lässt du Chatverläufe auf gläserne iPhones gravieren – wie kam es dazu?
Mit den Chat-Verläufen ging es mir vor allem um die Tatsache, dass diese Nachrichten oft dazu gemacht sind, sofort gelöscht zu werden. In einer Welt, in der alles schnelllebig und flüchtig ist, interessieren mich gerade diese Momente der Kommunikation, die keinerlei Beständigkeit haben. Sie sind temporär, flüchtig und in der Regel nicht für die Ewigkeit bestimmt. Das Einfangen dieser Chat-Verläufe und das Übertragen auf gläserne iPhones war für mich eine Möglichkeit, diesem Moment eine endgültige, greifbare Form zu verleihen. Glas hat für mich etwas sehr Beständiges, fast Monumentales. Durch das Gravieren dieser Nachrichten in das Glas schaffe ich eine Art Kontrapunkt zu ihrer eigentlichen Vergänglichkeit. Was eigentlich sofort verschwinden soll, wird plötzlich festgehalten und erhält dadurch eine neue Realität. Es bekommt für mich etwas Reales, fast Unwiderrufliches.
Du übersetzt unter anderem Live-Chats in textbasierte Malerei – oder wie würdest du es beschreiben?
Ja, genau, hier geht es wieder um dasselbe Prinzip. Livechats sind eine Form der Kommunikation, die im Internet stattfindet und oft auf eine gewisse Anonymität angewiesen ist, bedingt durch die enorme Zahl an Teilnehmern. Oft nehme ich Livechats auf, bei denen 20.000 bis 100.000 Menschen gleichzeitig miteinander kommunizieren, was so schnell passiert, dass man kaum noch hinterherlesen kann. Diese schnellen, flüchtigen Momente der Kommunikation einzufangen und in einer Malerei zu verewigen, war für mich ein ähnliches Konzept wie mit den gläsernen iPhones. Beide Ansätze haben die gleiche Intention: Etwas, das normalerweise flüchtig und temporär ist, in eine feste, bleibende Form zu überführen. Die ersten Arbeiten, die ich dazu gemacht hatte, entstanden während der Corona-Zeit oder zumindest die Aufnahmen dazu. In einem Ausschnitt von 20 oder 30 Sekunden kann ich leicht 50 bis 150 verschiedene Meinungen zu einem bestimmten Thema finden. Diese Vielfalt und die Geschwindigkeit, mit der diese Perspektiven geäußert werden, sind für mich ein entscheidender Punkt in der Auseinandersetzung.
Ich mag auch sehr die Metall-Arbeiten, bei denen die Typographie förmlich immer tiefer „hineinrostet“ in die Platten – was reizt dich an dieser Technik?
Ich arbeite schon sehr lange mit selbst hergestellten Lacken und Tinten – das hat tatsächlich in meiner Kindheit begonnen. Damals war ich mit Freunden in die Graffiti-Szene vertieft, und wir haben intensiv experimentiert: Welche Lacke funktionieren wie, welche Mischungen entstehen, wenn man bestimmte Substanzen kombiniert, und wie verhalten sich diese auf unterschiedlichen Materialien? Diese Neugier für Lacke, Säuren und ihre Einsatzmöglichkeiten hat mich seitdem nicht mehr richtig losgelassen. Was ich auf den Metallplatten mache, hat seine Wurzeln genau in dieser Phase. Ich arbeite mit selbst hergestellten Säuren, die auf Sonnenlicht reagieren und das Metall nach und nach zum Rosten bringen. Der Rost wird dabei zu einem sichtbaren Zeitmesser, der für mich das Leben und die Veränderung des Materials festhält.
Wenn ich deine Auseinandersetzung mit den Themen sehe, entsteht bei mir der Eindruck, dass du eine Art Grenzgänger bist, der zwischen den Welten hin und her wechselt und Einblicke sammelt. Du gehst dahin, wo sich unterschiedliche Wertevorstellungen begegnen, wo gesellschaftliche Kontraste aufeinanderprallen – was macht diese Grauzonen für dich so interessant?
Die Beschreibung als Grenzgänger höre ich tatsächlich schon mein ganzes Leben, aber was genau das sein soll, kann ich dir nicht sagen. Ich war schon immer jemand, der sich schnell langweilt und deshalb von einer Welt in die nächste springt. Mein Leben hat sich von früh an in verschiedenen sozialen und gesellschaftlichen Schichten bewegt – ob Unterschicht, Mittelschicht oder Oberschicht.
Diese Durchlässigkeit ist heute ein zentraler Bestandteil meiner Arbeit. Mich interessiert, was passiert, wenn gesellschaftliche Gegensätze aufeinandertreffen: Wo kollidieren Wertvorstellungen? Wo entstehen Spannungen? Und WTF geht eigentlich ab??!!! Es sind genau diese Übergangsräume – dort, wo das sogenannte Prekariat auf die High Society trifft –, die ich besonders spannend finde. Sie sind für mich wie Schmelztiegel, in denen sich der gesellschaftliche Diskurs am deutlichsten zeigt. Oft versuche ich in meiner Arbeit und in meinem Leben, einen Raum zu schaffen, in dem sich diese unterschiedlichen Perspektiven begegnen können.
Wie wichtig ist dabei der eigene Background, die familiäre Prägung und die eigenen Umfelder?
Ich bin in einem Umfeld aufgewachsen, das kaum unterschiedlicher hätte sein können. Meine Eltern verkörpern für mich zwei völlig gegensätzliche Welten. Meine Mutter, mit ihrer moralischen Klarheit, ihrem sozialen Engagement und ihrer politischen Korrektheit, hat mir von klein auf beigebracht, Verantwortung zu übernehmen, die Dinge zu hinterfragen und mit einer gewissen Sensibilität durch die Welt zu gehen. Mein Vater hingegen stand für eine Welt, in der andere Regeln gelten – eine Welt, in der Stärke, Anpassungsfähigkeit, das Gesetz des Stärkeren dominierten. Diese beiden Gegensätze haben mich als Person geprägt. Es war, als wäre ich immer zwischen diesen beiden Polen unterwegs: zwischen den Idealen meiner Mutter und den harten Realitäten, die ich von meinem Vater kannte.
Das sind tatsächlich starke Gegensätze und ich kann mir vorstellen, wie solche Dinge sich auch einschreiben, in das, was man künstlerisch tut. Ich würde gerne noch auf andere Arbeiten von dir zu sprechen kommen, die hier zum Teil auch im Studio gerade um uns herum stehen: Wenn ich deine „Tafel“-Bilder sehe – und ich meine es jetzt nicht so, wie man im kunsthistorischen Sinne von Tafelbildern spricht, das sollte man vielleicht dazusagen – muss ich zwangsläufig an die eigene Schulzeit denken. Was reizt dich an den monochromen Tafeln?
Ja, bei den Tafelbildern denke ich tatsächlich auch oft an die eigene Schulzeit. Interessant ist aber die Frage, ob sie wirklich ein universelles Symbol für Schule sind, gerade heute. Wenn man in moderne Klassenzimmer schaut, findet man kaum noch klassische Tafeln – sie wurden durch digitale Whiteboards oder andere Technologien ersetzt. Dadurch haben die Tafeln für mich nicht nur etwas Schulisches, sondern auch einen nostalgischen Wert. Ich arbeite oft an den Tafelbildern, wenn ich Schwierigkeiten habe, mich mit der klassischen Leinwand anzufreunden. Durch die dreifache Schicht von Tafellack, mit dem ich die Leinwände auch seitlich grundiere, werden sie für mich zu etwas anderem – eher zu einem Objekt als einer typischen Malfläche. Diese Technik, zunächst mit Kreide und Wasser zu arbeiten, nimmt für mich die Distanz zur Leinwand und erlaubt mir, intuitiver und schneller in die Arbeit einzusteigen. Gerade nach intensiven und manchmal belastenden Recherchephasen ist diese Art des Arbeitens eine Befreiung. Es ist ein Prozess, der strukturiert beginnt, aber Raum für Intuition und Spaß an der Malerei lässt.
Wir haben auch mal über Therapie und Ehrlichkeit zu sich selbst gesprochen – ich will jetzt nicht so küchenpsychologisch werden, aber wieviel Aufarbeitung eigener Erfahrungen steckt in all dem?
Hahahah, also in DIESER steckt natürlich viel Aufarbeitung eigener Erfahrungen. Generell glaube ich, dass Kunst – oder kreative Arbeiten im Allgemeinen, sei es Musik, Literatur oder Malerei – dann besonders stark sind, wenn sie aus einer ehrlichen Auseinandersetzung heraus entstehen. Mich berührt es am meisten, wenn ich das Gefühl habe, jemand erzählt mir etwas, das wirklich gelebt wurde, etwas, das von einem authentischen Ort kommt. Meine eigene Therapie hat mir in diesem Prozess enorm geholfen. Diese Ehrlichkeit, mit der ich heute versuche, an Dinge heranzugehen, spiegelt sich hoffentlich auch in meinen Arbeiten wider.
Wir haben uns damals über Monty Richthofen kennengelernt, ich habe auch die Maler Kaspar Dejong und Benni Kakert kennenlernen dürfen in den letzten Jahren – wie wichtig ist für dich der Austausch mit befreundeten Künstlern?
Der Austausch mit anderen, insbesondere mit Monty, Benny und Kaspar, ist für mich enorm wichtig – aus ganz unterschiedlichen Gründen. Zum einen bringen sie mich immer wieder in neue, spannende Richtungen, weil jeder von ihnen einen ganz eigenen Blick auf Kunst hat und anders denkt. Gleichzeitig hat mir dieser Austausch auch eine engere Verbindung zur Kunsthochschulwelt gegeben, sodass ich einen besseren Einblick bekomme: Was passiert eigentlich gerade?
Mit Monty habe ich damals meine ersten Projekte in Richtung Kunst gemacht – er hat mich durch Central Saint Martins in London geführt, wo er studierte, und mir viel gezeigt hat. Sein Wissen und sein Zugang zu dieser Welt sind bis heute unglaublich wertvoll für mich. Benny wiederum hat an der Weißensee in Berlin studiert und mir damit einen ganz anderen Einblick verschafft – in diese Berlin-Bubble der Kunstszene. Seine Arbeiten sind, genau wie die von Monty, extrem direkt und kompromisslos, was ich unglaublich stark finde. Kaspar hat seinen Master in Malerei in den Niederlanden gemacht, und später haben wir uns ein Atelier geteilt. Gerade in Bezug auf Techniken und Materialien habe ich extrem viel von ihm gelernt. Er hat ein wahnsinnig feines Gespür für Details und geht sehr nerdig an seine Arbeit heran. Was uns alle verbindet, ist diese ständige Unruhe – wir langweilen uns extrem schnell und haben gleichzeitig einen unglaublichen Work-Drive. Wenn wir einmal in einen Flow kommen, ist es für uns alle völlig normal, sieben Tage die Woche von morgens bis abends Vollgas zu geben.
Welche Künstlerinnen und Künstler waren für dich die größte Inspiration oder haben jetzt ganz aktuell Einfluss auf dich und deine Arbeit?
Ich finde viele Künstler:innen sehr toll und inspirierend, aber der Großteil meiner Inspiration kommt tatsächlich von Menschen, die nicht unbedingt als Künstler:in arbeiten, sondern eher im allgemeinen Bereich der kreativen Denker. Aktuell lese ich viel von Anni Jakobsen, einer Investigativjournalistin, die sich mit Themen wie Krieg, Waffen und Sicherheit beschäftigt – ihre Arbeiten und Texte sind extrem spannend. Ein großer Denker, der mich ebenfalls beeinflusst, ist Guy Standing, ein Wirtschaftswissenschaftler, der an der University of London unterrichtet und das Basic Income Earth Network mitbegründet hat. Seine Arbeiten zum Thema Grundeinkommen und wie wir es realisieren können, sind unglaublich stark. Wenn es um „Kunst" geht, war Chris Korda für mich immer eine der interessantesten Figuren. Die Gründung der Church of Euthanasia, die Arbeiten sowie die Musik sind einfach nur sick. Abgesehen von diesen drei, finde ich auch eine Menge Inspiration bei den Künstler:innen, die gerade in das neue „243-Berlin" Studio gekommen sind, das ich gegründet habe. Sie bringen ständig frische Denkanstöße und neue Perspektiven aus allen Teilen der Welt mit.
Wann und wo kann man deine Solo-Ausstellung sehen?
Die Eröffnung meiner Solo-Ausstellung ist am 14. Februar um 18:00 Uhr in Berlin-Schöneberg. Das Ganze findet in der relativ neu gegründeten Microkunsthalle statt. An dieser Stelle möchte ich mich ganz herzlich bei Anke und Thomas Keller bedanken, die das ganze möglich machen – vielen Dank für euren Support und euer Vertrauen. Die Ausstellung wird für einen Monat zu sehen sein und ich werde versuchen, jedes Wochenende persönlich da zu sein – also kommt rum!
Ich freu mich drauf. Und vielen Dank für das gute Gespräch!