Susanne Bonowicz

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Es ist die Kunst, die einen aussucht und nicht umgekehrt.
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Mein Besuch bei der Malerin Susanne Bonowicz (geb. 1985) führt mich zu einem alten Industriegelände in Berlin-Weißensee, wo einige junge Künstler zur Zeit ihre Ateliers haben. Susanne kommt ursprünglich aus Osnabrück, lebt und arbeitet aber bereits seit einigen Jahren in Berlin. Wir unterhalten uns in ihrem hellen, schönen Studio umringt von zahlreichen fertigen und unfertigen Arbeiten und neben einem Ventilator, ohne den an heißen Sommertagen wie diesem ein Arbeiten hier wohl unmöglich wäre. Wir sprechen unter anderem über die steigende Sichtbarkeit von weiblichen Positionen in der Kunst, über Malerei als Social Media Content, neue Galerie-Ansätze und wie man es schafft, optimistisch vom Studium in den Kunstmarkt zu starten.

Zunächst mal danke, dass du dir die Zeit für unser Treffen genommen hast, trotz der 38 Grad heute. Du hast mir mal erzählt, dass Urbanität bzw. Stadt als Lebensraum ein wichtiges Thema in deinen Arbeiten ist – kannst du mal genauer erläutern, wie das gemeint ist und wie sich das in deinen Bildern ausdrückt?

Sehr gerne, herzlich willkommen! Ja, ich beschäftige mich mit Urbanität, das ist das übergeordnete Thema, was sich durch alle Arbeiten bei mir zieht. Berlin ist dabei Mittelpunkt der Inspiration. Ich bringe urbane Erlebnisse und Erfahrungen auf die Leinwand. Dabei beschreibt die oft grelle Farbauswahl ganz unterschiedliche Metropolen. Ich versuche Stadt in Ihren Kontrasten, ihrer Dynamik und ihrem Chaos erfahrbar zu machen, aber auch in ihrer Vergänglichkeit. Das soll durch die Konstruktion und Dekonstruktion einzelner Elemente in den Arbeiten deutlich werden. Stadt steht für mich aber auch immer im Bezug zur Natur. Natur, das ist Witterung, das sind Pflanzen und auch Tiere, die versuchen sich ihren Raum im Gefüge der Urbanisierung zu sichern und Schlupfwinkel zu finden. Natur ist für mich allgegenwärtiges Element des Unkontrollierbaren. Man kann sagen, es geht um Kultur vs. Natur - um die wechselseitigen Beziehungen und die gegenseitige Einflussnahme. Auch schwingt in meinen Arbeiten immer das Gefühl mit, dass wir uns alle in einem vergänglichen urbanen Konstrukt bewegen. Ich mag dabei die Idee des Armageddon Gedanken.

War das ein Thema, das dich schon im Studium beschäftigt hat? Du hast ja in Osnabrück studiert, in Südafrika und hattest eine Artist Residence in Bangkok. Inwiefern hast du im Studium noch anders gearbeitet als heute und wie war der Weg dorthin, wo du heute bist?

Urbanität war auch schon während meines Studiums Thema. Ich glaube, wenn man es ganz genau nimmt, auch schon im Vorfeld. Der Unterschied zwischen meiner Arbeitsweise heute und während meines Studiums, liegt darin, dass ich in anderen Städten gelebt habe, die mich geprägt haben. Hinzu kommt auch die eigene Entwicklung und die veränderte Sicht auf den Lebensraum und das Leben, so wie sich auch Stadt stetig verändert und einem thematisch auch neue Felder offeriert. Meine Farb- und Formensprache hat sich verändert und ich konstruiere und dekonstruiere mehr. Einige Elemente sind gleich geblieben, die habe ich schon während meines Studiums entwickelt und sind fester Bestandteil meines Repertoires. Das Leben und Reisen in unterschiedlichen Metropolen haben auch einen großen Teil zur Entwicklung der Bildsprache beigetragen. Beispielsweise meine Künstlerresidenz in Bangkok 2016, dieser Aufenthalt hat mich sehr inspiriert. Ich habe angefangen, mit einer ganz neuen Farbpalette zu arbeiten und habe sehr viele Eindrücke in meine Bildsprache aufgenommen, die noch heuet aktuell sind. Das Thema Stadt, der Bezug zur Natur und die damit verbundenen Fragestellungen sind aber immer gleich geblieben.

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Wenn man nach der Uni auf den freien Markt losgelassen wird, ist das ja nun wahrlich nicht einfach. Wie schafft man es, nach dem Studium den Glauben nicht zu verlieren, auch wenn einem alle sagen, wie hart der Kunstmarkt ist und man es eigentlich eh nicht schaffen kann?

Ich glaube was man nicht vergessen darf ist, dass es die Kunst ist, die einen aussucht und nicht umgekehrt. Ich glaube, dass es so etwas wie Berufung gibt. Kunst zu machen ist etwas Lebenserhaltendes und man fühlt sich nur als Ganzes, wenn man dem nachgehen kann. Damit möchte ich sagen, dass es vermutlich dieser Drang ist, der einem hilft, nach dem Studium nicht den Glauben zu verlieren. Er ist der treibende Motor. Dass man im Studium nicht auf die Realität vorbereitet wird, ist wahr. Bei mir war es jedenfalls so. Ob eine ausführliche Beschreibung des Kunstmarktes den Studierenden helfen würde – ich weiss es nicht. Vielleicht würden einige direkt abbrechen. Oder man sieht das Ganze als Ansporn. So nach dem Motto, jetzt erst recht. Mit Anfang zwanzig hat man ja oftmals diese „ich weiss sowieso alles besser und mir gehört die Welt Einstellung“, die einem viele Ängste nimmt und den nötigen Drive gibt. Aber ein paar Tipps der Professoren zum Kunstmarkt und zur eigenen Vermarktung wären sicherlich nicht schlecht gewesen.

Als ich deine Bilder zum ersten Mal gesehen habe, hat mich das an Arbeiten von Carsten Fock erinnert und auch ein bisschen an Wendy White – kannst du mit diesen Vergleichen etwas anfangen oder ist das ein bisschen sehr weit hergeholt?

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Ich finde es immer sehr spannend, wenn die eigenen Arbeiten verglichen werden und eine Verwandtschaft zu den Arbeiten anderer Künstler gesehen wird. Auf den ersten Blick finde ich mich bei beiden Künstlern ein wenig in der Farbpalette wieder. Fock ist ja unter anderem bekannt für seine Typografie. Ich nutze manchmal pseudo-typografische Elemente, in dem ich mit schriftähnlichen Linien arbeite, ich könnte mir vorstellen, dass du da eine Parallele gesehen hast. Und Wendy White, übrigens danke für den Vergleich, arbeitet mit wiederkehrenden Symbolen, die comic-haft anmuten. Vielleicht siehst du den Bezug bei mir in den wiederkehrenden Streifen oder den Sprechblasen ähnlichen Gebilden. Ich sehe auch viel urbane Bildsprache bei ihr.

Hast du Vorbilder in der Kunst? Oder anders gesagt: gibt es Künstlerinnen oder Künstler, die dich besonders beeinflusst haben?

Per Kirkeby ist ein Künstler, der mich sehr beeinflusst hat. Ich bin bereits zu Anfang meines Studiums auf ihn gestoßen und war besonders fasziniert von seiner philosophischen Ansicht zur Malerei. Für ihn als studierten Geologen war Natur nicht einfach nur Landschaft, sondern auch Überlagerungen und erdgeschichtliche Prozesse. Natur und Kultur stehen für ihn im direkten Zusammenhang, er sieht diese Beziehung als untrennbare Verflochtenheit. Ich denke Kirkeby war es, der mir vermittelt hat, dass Kultur immer nur im Zusammenhang mit Natur betrachtet werden sollte. Das ist ein wichtiger Aspekt, den ich in meinen urbanen Darstellungen bedenke.

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Du arbeitest hier in Berlin-Weißensee. Wie wichtig ist für dich der Standort Berlin? Wirkt sich die Stadt auf deine Arbeit aus oder könntest du eigentlich überall gleich gut arbeiten?

Mein Atelier sollte sich schon in einem urbanen Raum befinden, hier in Weißensee ist es direkt auf einem alten Industriegelände. Je nach Stadt und Land verändern sich meine Bilder, besonders in Farb- und Formensprache. Auch neue Elemente gelangen ins Repertoire, die teilweise bleiben. Ein Atelier für längere Zeit in einer ländlichen Region, würde vermutlich den thematischen Fluss irgendwann unterbrechen. Aber es wäre auf jeden Fall reizvoll, das mal auszuprobieren.

Hast du in Berlin viel Austausch mit anderen Künstlern und machst du auch selbst Studio Visits? Wie wichtig ist dir der Austausch und was kannst du daraus für deine Arbeit ziehen?

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Der Austausch ist stetig vorhanden, vor allem mit anderen abstrakten Maler*innen. Wir treffen uns auch ab und zu in einer Künstlergruppe, die hauptsächlich aus abstrakten Maler*innen besteht und besuchen uns gegenseitig in unseren Ateliers und sprechen über die Arbeiten. Der Austausch eröffnet einem neue Perspektiven, auch bezogen auf die eigene Arbeit. Der Blick für Umsetzung, neue Lösungsansätze und Technik wird erweitert. Ich finde es auch sehr inspirierend, die Arbeiten anderer Künstler*innen zu betrachten, sie holen einen oftmals aus der eigenen Statik raus und spornen zu neuen Ideen an. Auch konstruktive Kritik hilft einem oft, den nötigen Perspektivenwechsel vorzunehmen. Ich empfinde es als sehr bereichernd und bin auch immer wieder überrascht, wie viel Input man durch das Betrachten anderer Arbeiten bekommt.

Ich hab manchmal das Gefühl, dass junge Künstler sich heute schneller und einfacher mit Galerien vernetzen, aber die Beziehungen auch unverbindlicher und kürzer sind als früher. Denkst du das Künstler-Galerie-Verhältnis hat sich generell verändert oder ist es eigentlich immer gleich geblieben?

Ich weiss gar nicht so genau, ob die Vernetzung heute einfacher ist. Es ist sicherlich einfacher geworden, sich über Social Media zu connecten. Seit Kurzem gibt es ein Umdenken: viele Galerien arbeiten flexibler ohne festen Künstlerstamm oder Galerieraum. Der Markt ist schnelllebiger geworden und die Galerien versuchen sich anzupassen und man arbeitet für temporäre Projekte zusammen. Beide Seiten haben die Freiheit sich mehr auszuprobieren, allerdings ist es oft unverbindlicher und der jahrzehntelange Galerievertrag kommt eher selten zustande. Solange man aber auch in der offenen Zusammenarbeit gemeinsame Ziele verfolgt, sehe ich auch Potential für gute Ausstellungen und Konzepte.

Du arbeitest mit Office Impart und auch mit AXS ART zusammen, beides sehr moderne Galerie-Konzepte. Wie sieht die Zusammenarbeit aus?

Office Impart (Anne Schwanz und Johanna Neuschäffer ) arbeitet vor allem projektbezogen, mit alternativen Ausstellungsformaten und ohne fixen Raum im klassischen Galerie Sinn. Ich kann als Künstlerin sehr selbstständig agieren, bekomme aber die nötige Unterstützung, da wir uns regelmäßig austauschen. Ich kann eigene Ideen anbringen und wir sprechen gemeinsam über Konzepte und Entwicklungen. AXS ART, gegründet von Constance van Berckel, ist eine Online Galerie, ansässig in Berlin, die Anfang des Jahres gelauncht wurde. Das Konzept ist, junge internationale Künstler online zu präsentieren und dabei junge Sammler zu erreichen. Um die Kunst aber greifbarer zu machen, hat AXS ART im Juni diesen Jahres die erste Gruppenausstellung „Edition 1.0“ in Berlin gemacht, diese soll sich in verschiedenen internationalen Städten fortsetzen. Auch hier ist die Zusammenarbeit sehr frei, aber stetig und wir können uns offen austauschen. Beides sind sehr zeitgenössische Galeriekonzepte, es ist spannend ein Teil dieser Entwicklung zu sein.

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In letzter Zeit bekommen immer mehr Malerinnen große Aufmerksamkeit und Sichtbarkeit. Die längst überfällige Gleichberechtigung scheint nun endlich auch in der Kunst Einzug zu halten. Wie stehst du dazu? Hast du das Gefühl, heute die gleichen Chancen wie männliche Maler zu haben, im Kunstmarkt erfolgreich zu sein?

Ja, das stimmt. In den letzten Jahren treten immer mehr Künstlerinnen in den Fokus. Dass immer mehr weibliche Positionen sichtbar werden, erkläre ich mir unter anderem damit, dass auch immer mehr Frauen leitende Positionen im Kunst-Business bekleiden und dies sich nun auf die Wahl der Künstlerinnen auswirkt. Die guten weiblichen künstlerischen Positionen gab es natürlich schon vorher, ihnen wurde aber lange die Plattform verwehrt. Ob es nun eine Chancengleichheit auf dem Markt gibt, kann ich nicht beurteilen. Der Konkurrenzdruck ist generell da, vor allem in Berlin spürt man ihn deutlich, dieser besteht aber geschlechterübergreifend.

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Du bist auch auf instagram aktiv und nutzt Social Media, um deine Arbeiten zu zeigen. Wie wichtig ist das heute für dich als Medium?

Ich nutze Instagram erst seit letztem Jahr, vorher konnte ich mich einfach nicht überwinden dort meine Arbeiten zu präsentieren. Ich dachte immer, das ist zu viel Selbstdarstellung und das will sowieso niemand sehen, bis mich ein befreundeter Maler überzeugt hat, das Ganze als Tool zu sehen. Und seitdem funktioniert es ganz gut: von mehr Sichtbarkeit über entstandenen Austausch bis hin zu Anfragen für Ausstellungen und für Projekte. Außerdem ist es auch eine gute Plattform, um auf dem Laufenden zu bleiben, man entdeckt viele neue Künstler und sieht, was generell auf dem Markt passiert.

Letztlich sehen ja mehr Menschen deine Arbeiten digital als in echt und erleben die Malerei als Social Media Content sozusagen. Hast du das Gefühl, es wird zunehmend mehr in dem Bewusstsein gemalt, dass die Arbeiten auf einem digitalen Handyscreen innerhalb weniger Sekunden überzeugen müssen?

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Ich glaube, dass abstrakte Malerei per se leichter auf einem Handybildschirm zu greifen ist, als beispielsweise figurative Malerei, die viele Details beinhaltet. Das Auge kann innerhalb weniger Sekunden schneller und besser reduzierte Bilder erfassen. Bestimmte Formen und Farben sind sicherlich schneller zu erfassen, als komplexe Gebilde. Ob aber teilweise in dem Bewusstsein gemalt wird, um im Miniformat zu überzeugen, kann ich nicht sagen. Jede Zeit hat ihre Trends und Codes, diese machen auch nicht vor der Kunst halt. Ich glaube, dass wir viele dieser Codes als vertraut wahrnehmen und die Arbeiten dann unterbewusst überzeugender finden. Die Sehgewohnheiten der Menschen bedienen sich auch oftmals eines Schemas, viele präferieren immer die gleichen Bilder, weil die Wiedererkennung ihnen das Gefühl von Vertrautheit vermittelt.

Mich persönlich überzeugen auf jeden Fall deine Arbeiten hier im Atelier mehr als im Internet. Ich hoffe das ist ein gutes Zeichen.

Das ist schon mal gut! Die Präsentation auf Websites oder Instagram kann niemals das Original ersetzen. Die Vielschichtigkeit einer Arbeit, mit ihrer Tiefe, Stimmung und Farbgebung ist nur in der direkten Betrachtung zu erfahren. Auf der einen Seite ist es natürlich von großem Vorteil, dass so viele Menschen eine Momentaufnahme im Netz zu sehen bekommen, mit Blick auf Erreichbarkeit etc., aber dies kann niemals einen Atelierbesuch und den Austausch direkt vor dem Original ersetzen. Ich bin froh, dass die meisten Menschen noch das Bedürfnis haben, sich ungefilterte Arbeiten anzuschauen.

Welche Ausstellungen stehen in Zukunft an – weißt du schon, wo man deine Arbeiten als nächstes sehen kann?

Es ist momentan einiges in Planung, aber noch nichts spruchreif. Ich halte dich auf dem Laufenden, sobald es konkret wird!

Okay, ich freu mich drauf. Viel Erfolg dafür und danke für das tolle Gespräch!

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Malte Buelskaemper