Marta Vovk

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Das Verhältnis zwischen High und Low Art hat mich schon immer fasziniert.
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Die Berliner Künstlerin Marta Vovk (geb. 1989 in Lviv, Ukraine)
und ich haben uns in ihrem Atelier im Norden Charlottenburgs getroffen. Umgeben von ihren Arbeiten sprachen wir bei Kaffee und Croissants über Comic-Helden und Mangas, über Migration, Feminismus und Verfallsdaten in der Popkultur. Wir hätten wahrscheinlich ewig weitergeredet, wenn nicht irgendwann ihr Hund Moppel vorbeigekommen wäre, der schnell alle Aufmerksamkeit auf sich gezogen und dem Kunst-Gequatsche ein Ende gesetzt hat.

Marta, ich habe vor kurzem deine Ausstellung bei „Meanwhile Elsewhere“ besucht. Da hast du Themen wie Freundschaft, Kindheit und Deutschland behandelt – worum ging es dir dabei?

Ich wollte schon immer eine Ausstellung zum Thema Deutschland machen. Die aber nicht streng konzeptuell oder didaktisch daherkommt, sondern eher satirisch und scheinbar naiv. Mehr Titanic als Goethe Institut. Die persönliche Verbindung mit Freundschaft und Kindheit ist ja eigentlich erst anhand der Titel sichtbar; die Arbeiten beinhalten erstmal nur Logos und Bilder, die in einer plakativen Form um das Thema Deutschland kreisen.

Ich fand die Titel deiner Arbeiten sehr interessant und finde auch den Ausstellungstitel einfach großartig:
„A wie Autobahn, B wie Business“ - wie kam es dazu?

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Danke, ich mag ihn auch. Die Immigration nach Deutschland war für mich als Kind ein Schlüsselmoment, daher die infantile Verknüpfung mit dem ABC. Autobahn steht für Deutschland, Business für den Kunstmarkt. 

Wie wichtig sind dir generell die Titel deiner Arbeiten?

Wichtig.

Das „taff“ auf der Arbeit
„V wie Vernachlässigung“
ist es das, was ich denke?
Die TV- Sendung? Welche Rolle spielt Fernsehen bei der Integration, wenn man als Kind nach Deutschland kommt?

Das ist das taff Logo von ProSieben von 2004 glaub ich, mittlerweile ist das überholt. „Integration und Fernsehen“ wäre auch ein guter Titel. Aber im Ernst: Ich weiß nicht, ob das eine spezifische Migrationsfrage, oder eher eine von prekären Arbeitsverhältnissen von Alleinerziehenden und der daraus resultierenden kindlichen Vernachlässigung, ist. Früher hat man halt Kinder vor dem Fernseher geparkt, heute parkt man sie vor dem Smartphone oder Tablet. 

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Du arbeitest nicht nur auf rechteckigen Leinwänden, sondern brichst das Format oft auf und bemalst bzw. besprühst die unterschiedlichsten Formen. Die Arbeiten sind oft irgendwo zwischen Installation und Malerei. Wie ordnest du das selbst ein? 

Genau so: zwischen Installation und Malerei. Ich liebe das Medium Malerei, aber es erscheint einem manchmal absurd, immer nur auf Rechtecken zu malen. 

Als du bei DUVE Berlin die verzerrten Marken-Logos ausgestellt hast, waren sie auf weiss lackierte Platten gemalt – was ist das eigentlich genau für ein Material?
Und warum benutzt du es?

Das sind Sperrholzplatten aus Kiefer, die ich in Form säge. Im Einkauf sind die Platten 250 x 150 cm groß und haben ein Gewicht von 16 kg. Das ist das Maximum, das ich allein noch gut handeln kann. Hat also ganz praktische Gründe.

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Auf mich wirkte es so, als wenn die verzerrten Marken-Logos gleichzeitig Kapitalismuskritik und Faszination ausgedrückt haben. Das ist vielleicht etwas „billig“ als Interpretation, aber kannst du das nachvollziehen? Was war die Intention dahinter?

Nein, gar nicht billig, es geht unter anderem um genau diese Spannungsfelder. Inhaltlich ist die Arbeit selbstverständlich ein Hieb auf die kapitalistische Markenwelt und den nicht hinterfragten Konsum von unter inhumanen Verhältnissen produzierten Gütern. Sei es jetzt aus Bequemlichkeit oder changierenden Modetrends. Und wir sind uns dieser Zustände ja auch alle bewusst. Aber darüber hinaus faszinierte mich in meiner künstlerischen Arbeit schon immer das Verhältnis zwischen sogennanter High und Low Art und bildender und angewandter Kunst: Symbole, Werbeartikel, Schriftzüge und Slogans, die uns umgeben. Alles was so en passent wahrgenommen wird, diese visuelle Bilderflut. Und unsere Einteilung in wertvolle und wertlose Bilder. Gleichzeitig sind Markenlogos im Zuge des 90s-Mode-Revivals natürlich wieder viel stärker Teil unseres Stadtbildes geworden. Schön fett „adidas" auf dem Pulli zu tragen, ist halt plötzlich wieder schick geworden, nicht mehr prollig und peinlich. Und ich selbst bin ja auch Teil der Konsumenten und somit Förderer dieser Firmen, meistens aus Bequemlichkeit und ihrer leichten Verfügbarkeit, oder halt auch aus Mode-Gründen. Ich nehme mich selbst aus dieser Kritik nicht heraus, das ist keine „mit erhobenem Zeigefinger vom Podest aus kritisieren“ Arbeit.

Es finden sich auch immer wieder Charaktere auf deinen Bildern, die aus der Welt der Manga und Anime Comics stammen. Was verbindest du damit?

Kindheit und Jugendzeit vornehmlich, aber ich konsumiere bis in die Gegenwart Mangas und Comics und bin ein Otaku. Das ist für mich also kein rein ironisches bedienen von Popkultur. Gleichzeitig ist aber das Aufgreifen dieser Trivial-Popkultur-Elemente für mich eine Auseinandersetzung mit dem Verhältnis von High und Low Art, was mich schon immer wahnsinnig gereizt hat. Und wie man Bilder vom unteren Ende der Bedeutungsskala in einen angesehenen, kunst-institutionellen Kontext überführen kann. 

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Geht es dabei auch um die Rollen, die die Helden dieser Comics spielen? Zum Beispiel Sailor Moon, sie kämpft als Kriegerin für Liebe und Gerechtigkeit und sie hat Superkräfte. 

Es ist mehr eine Reminiszenz an etwas Nostalgisches, als eine inhaltliche Auseinandersetzung. Ich verwende ja hauptsächlich Comic-Referenzen aus den 80er und 90er Jahren, weil ich es spannend finde, wie outdated die Art der Zeichnung nun schon erscheint. Auch in einem ästhetisch abgegrenzten popkulturellen Bereich gibt es Verfallsdaten, nicht nur in der Rezeption von Kunst-Trends. Um es in den Worten von Michel Majerus zu sagen: what looks good today, may not look good tomorrow. Diese bereits abgelaufenen Verfallsdaten auch in meine Kunst einzubauen, finde ich spannend. Sailor Moon finde ich aus feministischer Sicht aber tatsächlich interessant: Das Besondere an ihr ist, dass sie Superkräfte und Menschlichkeit in einer Person vereint. Sie wird als ziemlicher Trottel dargestellt, der aber über sich hinauswächst und das Böse bekämpft. Am nächsten Morgen dann wieder die Schule verschläft und schlechte Noten schreibt. Wonder Women hingegen ist halt immer konstant wonderful. 

Von Sailor Moon zum Thema Feminismus und Geschlechterrollen in der Gesellschaft: du hast mir mal erzählt, dass dir dieses Thema sehr wichtig ist und du dich schon viel damit befasst hast. Wie siehst du das bezogen auf den Kunstmarkt und die Gleichberechtigung in der Kunst generell?

Ich vermeide in meiner Kunst so eine didaktische Meinungsmache: das finde ich übrigens gut, das finde ich schlecht, auch in feministischen Fragen. Ich denke, damit kann man weder jemanden überzeugen, provozieren, noch sonst irgendwas.  Aber ja, ich definiere mich seit ich 13 bin als Feministin und finde es gut, dass es mittlerweile en vogue ist, sich als solche zu bezeichnen, auch wenn im Kunstmarkt darüber hinaus bisher noch keine wirklichen Haltungsveränderungen damit einhergegangen sind. Es gibt natürlich auch offen ausgelebten Sexismus, der unter dem Deckmantel der Kunstfreiheit a la „das wird man ja wohl noch malen und sagen dürfen“ ausgelebt wird, aber das primäre Problem auf dem Kunstmarkt ist ja nach wie vor der Gender Pay Gap. Also wenn Johann König in Referenz auf artnet sagt: „wenn man in Zukunft Geld mit Kunst machen will, muss man Werke von Frauen kaufen“, dann spiegelt das ja in keinster Weise die Realität wieder.

Ich hab das Gefühl, du findest es gut, wenn deine Arbeiten die Betrachter herausfordern und auch mal Stress anzetteln und provozieren – lieg ich da richtig oder wie siehst du das?

Ich glaube es ist in der alles geht, nichts muss Zeit kaum möglich, noch wirklich zu provozieren und das ist auch nicht mein vorrangiger Anspruch. Aber sobald ich in mir auch nur die leise Tendenz verspüre, zu denken „Ah, wenn du das jetzt machst, wird dir wieder billige Provokation unterstellt“, dann mach ich es erst Recht.

So ein Anflug von peinlich berührter Selbstzensur muss auf jeden Fall im Keim erstickt werden!

Da ich in meiner Bilderwelt gerne mit Klischees, Plattitüden und scheinbar trivialen Inhalten arbeite, kommt das schon mal vor. Aber so ein Nachruf wäre schon gut: „KünstlerIn betreibt billige Provokation - wird Millionärin.“

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Haha, sehr schön! Was sind für dich die Kriterien, anhand derer du entscheidest, ob eine Arbeit gut oder scheiße ist? Schmeißt du viel weg oder sitzt du dann einfach so lange daran, bis du es gut und richtig findest?

Eigentlich habe ich in den meisten Fällen das fertige Bild bereits ganz genau vor Augen, bevor ich mich überhaupt an die Arbeit mache. Ich arbeite also nicht aus dem Prozess heraus, was aber nicht bedeutet, dass ich nicht manchmal nachträglich eingreife. Ich bin halt eher der Kontrolltyp. 

Ach so, was mich noch interessiert: Du bist ja eine der Gründer*innen des Kollektivs „Sorgen International“ – wieder so ein toller Titel! Was steckt eigentlich dahinter und wer ist noch alles dabei?

Das Künstlerkollektiv besteht mittlerweile aus Emma Adler, Julie Legouez, Clemens Porikys, Götz Schramm und mir. Wir wollten zur Gründung 2016 eigentlich nur Gruppenausstellungen organisieren, wir arbeiten mittlerweile aber streng konzeptuell. Die Themen, die wir behandeln sind Kommerzialisierung, (Marken-)Identität und Gentrifizierung, aber auch die prekären Lebens- und Arbeitsverhältnisse vieler künstlerisch freischaffend tätiger Menschen.

Wie geht’s weiter, was kommt als nächstes?

Als nächstes kommt eine gemeinsame Ausstellung mit Aneta Kajzer, Okka-Esther Hungerblüher und Daniel Ewinger-Bonaudo in der Kommunalen Galerie Lichtenberg, darauf freue ich mich sehr. Mit Sorgen (International) sind wir Teil der Gruppenaustellung „HOW BEAUTIFUL YOU ARE!“ im KINDL – Zentrum für zeitgenössische Kunst im Februar 2020. 

Das klingt spannend, freu ich mich drauf! Viel Erfolg dafür und danke für das schöne Gespräch.

Danke dir für deinen Besuch!

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Malte Buelskaemper