Theresa Volpp
Ich treffe die Malerin Theresa Volpp in ihrem Berliner Studio. Es sind 33 Grad und eine sengende Hitze liegt über dem Industriepark, wo sich ihr Atelier befindet. Theresa ist gerade erst von einem längeren New York-Aufenthalt zurückgekehrt und selbst noch recht neu dort. Umso mehr freue ich mich, dass es spontan mit unserem Treffen klappt und wir uns über ihre Arbeit, über den Standort Berlin und über Frauen in der Kunst unterhalten können.
Ich bin in der Ausstellung DIRTY VOYAGE auf dich aufmerksam geworden im SCHAU FENSTER Raum für Kunst in Kreuzberg. Dort hast du mit anderen jungen Maler*innen zusammen ausgestellt – wie wichtig ist dir der Austausch untereinander?
Der Austausch ist mir super wichtig. Ich probiere in Berlin immer wieder Studio Visits bei anderen Künstlern zu machen. Ich habe ja in London studiert und wenn ich dort bin, versuche ich auch da immer Leute zu treffen, mit denen ich studiert habe oder auch andere Maler, die ich über ein paar Ecken kenne. Der Austausch mit anderen Künstlern, in meinem Fall vorwiegend mit Malern, ist glaube ich das Wichtigste überhaupt. Ich schaue mir natürlich auch viele Ausstellungen von anderen Künstlern an, aber hier bin ich ja auch alleine in meinem Kopf, deshalb finde ich das Gespräch mit anderen wahnsinnig wichtig. Es ist nicht nur eine gute Übung für einen selbst, sondern hilft auch meistens den eigenen künstlerischen Horizont zu erweitern. Letztlich hilft es auch, um Kontakte zu knüpfen bzw. bereits vorhandene Kontakte zu pflegen, das ist mir wichtig. Nimm zum Beispiel die Ausstellung DIRTY VOYAGE, die du angesprochen hast, hier habe ich über den Kontakt zu Christian August teilgenommen, der das Ganze organisiert hat. Ich kannte ihn zu dem Zeitpunkt zwar noch nicht so gut, als er mich angefragt hat, aber ich fand seine Sachen gut und fand auch die anderen Künstler super. An so einer selbstorganisierten Ausstellung teilzunehmen, bei der nur Maler dabei sind, die ich selbst gut finde, ist perfekt.
Du hast dein Studium angesprochen. Du warst zunächst an der HfbK in Hamburg, dann an der Goldsmiths University in London und anschließend an der Kunstakademie Düsseldorf, richtig?
Genau. Ich hatte zu Beginn Design studiert an der HAW in Hamburg und habe dort auch meinen Bachelor fertig gemacht. Ich wusste sehr früh im Studium schon, das ist eigentlich nicht mein Ding und ich werde niemals Designerin werden. Nach dem Bachelor bin ich dann an der HfbK in die Klasse von Anselm Reyle eingestiegen, kurz danach habe ich dann einen Master-Platz in London bekommen. Ich hatte zu dem Zeitpunkt schon 7 oder 8 Jahre in Hamburg gelebt und es war eine gute Möglichkeit, nochmal etwas anderes zu sehen. Und London war dann auch ganz anders, super international, alles an Kunst war vertreten an der Uni nicht nur Malerei… es war ein bisschen auch ein Crashkurs, der Master in London. Zwei sehr intensive Jahre. Es war keine angenehme Zeit, aber es war total gut und wichtig für meine künstlerische und persönliche Weiterentwicklung und ich bin froh, dass ich die Chance hatte, das mitzunehmen.
Du hast schon verschiedene Stipendien gehabt, oder?
Ja, während des Design-Studiums war ich mal in Israel für ein halbes Jahr, dafür hatte ich zwei Stipendien. Und in London hatte ich das DAAD Stipendium. London ist einfach heftig teuer was die Lebenshaltungskosten angeht. Die Miete ist auch extrem teuer und ohne das DAAD Stipendium hätte ich das zweite Jahr wahrscheinlich gar nicht gemacht. Ich wusste zwar, dass es kostenintensiv wird, aber letztlich war es krasser als erwartet. Das komplett alleine zu zahlen, ohne Unterstützung von den Eltern oder durch ein Stipendium ist fast unmöglich bei einem Vollzeit-Master. Trotzdem hat mir die Goldsmiths University in London extrem geholfen, eine solide Allgemeinbildung in Kunst und Philosophie zu bekommen. Es war eine eher linksgerichtete, kunstmarktkritische Uni, was in der Theorie sehr schön war, aber zum Teil auch etwas unrealistisch.
Du hast bei Katharina Grosse studiert. Hilft es, bei einer so renommierten Professorin in der Klasse zu sein?
Naja, nicht zwangsläufig würde ich sagen. Ich finde die Einstellung schwierig, in eine Klasse zu gehen, um Kontakte zu kriegen. Das ist nicht der Sinn der Sache. Es kann sein, dass die Professorin Dinge vereinfacht und Kontakte herstellt, muss aber nicht. Es ist auch die falsche Haltung, deswegen sollte man kein Studium irgendwo anfangen. Du nimmst ja auch einer anderen Person damit den Studienplatz weg, die wirklich Interesse an der Klasse hat. Tatsächlich wurde es mir aber von dem ein oder anderen in der Klasse angetragen, so nach dem Motto: guter Move, den Namen noch mitzunehmen. Das fand ich echt krass, denn ich bin wirklich mit der Motivation nach Düsseldorf gegangen nochmal richtig wichtige Impulse für meine Malerei und meine Arbeit zu bekommen. Das habe ich nach London unbedingt gebraucht. Um aber auf deine Frage zurückzukommen, ich würde sagen, es hilft sehr bei einer motivierten Professorin zu sein, die die Lehrtätigkeit wirklich ernst nimmt und die Klasse als Ganze unterstützt, das war bei Katharina Grosse der Fall.
Wie arbeitest du und welche Materialien benutzt du?
Hauptsächlich benutze ich im Moment Haushaltslacke, Sprühfarbe und Tusche. Ich arbeite normalerweise auf Leinwand, allerdings immer wieder auch auf Plastikfolie. Wie ich arbeite? Unterschiedlich, mal schnell, mal fummle ich ewig an Details herum, häufig großformatig, aber immer wieder auch auf kleinen Leinwänden oder Papier.
Arbeitest du an mehreren Bildern parallel oder immer an einem bis es fertig ist?
Es kommt immer drauf an, wie ich gerade arbeite oder auch wie ich Platz habe. Also, jetzt hier im neuen Atelier… siehst du ja, hängen überall Sachen und da sind gerade zwei Arbeiten so im Machen. Ich arbeite relativ schnell und dadurch auch gerne parallel. Es kommt aber immer drauf an, bei einer Größe von 2 x 1,50 Meter da mache ich mehrere auf einmal, aber bei einer größeren Arbeit konzentriere ich mich dann eher nur auf die eine. Ein Traum für die Zukunft wäre ein Atelier, in dem ich an fünf bis sieben 2,50 x 2 m Bildern parallel malen kann. Das wäre dann die Optimalsituation.
Was ist dein Antrieb, jeden Tag wieder aufs Neue ins Atelier zu gehen und zu malen?
Die Sache an sich, die Malerei. Farbe auf Leinwand. Relativ simpel.
Hast du schon eine Galerie, die dich vertritt?
Nein, ich habe noch keine feste Galerie.
Also du hast schon einige Sachen verkauft, aber noch nicht so beständig?
Ja, genau. Es gibt natürlich auch eine finanzielle Motivation, nicht weil ich denke der nächste Damien Hirst zu werden, sondern schlicht und einfach, um von Malerei leben zu können und meine Zeit ausschließlich dem Malen zu widmen. Eine persönliche Freiheit entsteht hierdurch natürlich auch, kein Arbeitgeber, also keine Lohnarbeit im klassischen Sinne - Künstlerin zu sein, hat für mich viel mit der Freiheit zu tun, selbstbestimmt Leben zu können.
Gab es einen Punkt, wo du innerlich entschieden hast: ich will das hauptberuflich machen und davon leben?
Im Design-Studium habe ich mir noch nicht so viele Gedanken darüber gemacht, was vielleicht auch ganz gut war, weil es einen auch unter Druck setzen kann und auch daran hindern kann, weiter zu machen. In London habe ich dann eine Krise gekriegt, da dachte ich wirklich, ach du Scheiße, Malerei ist zwar wunderbar, aber wie soll ich jemals davon leben? Die Phase ging zum Glück vorbei. Im Endeffekt musste ich mich eigentlich nie dafür oder dagegen entscheiden, es war mir immer klar, dass ich das mache. Anfangs unbewusst, später bewusst.
Es ist schon eine ungewisse Sache, auf die man da setzt, oder?
Absolut. Und in London hat man zudem noch viel mehr Druck als an einer Akademie in Deutschland, die umsonst ist und wo die Kosten im Vergleich generell nicht so hoch sind. Das ist nochmal was anderes. Aber ich sehe halt auch Leute um mich herum, bei denen es funktioniert und ich weiß, dass es möglich ist, davon zu leben. Und wenn ich es schaffe, von der Malere zu leben, gibt es für mich sowieso keine bessere Tätigkeit. Denn dann habe ich die Freiheit, nur das zu machen, was ich machen will und mir meine Zeit einzuteilen, wie ich will, das ist für mich Luxus. Das hat viel mit persönlicher Freiheit zu tun. Und auch damit, eben nicht abhängig von einem Arbeitgeber zu sein. Acht Stunden am Tag, fünf Tage die Woche, was für ein Horror.
Apropos Arbeitgeber - du hast auch schon mal eine Markenkooperation gemacht.
Ja, letztes Jahr habe ich eine Installation für Rolf Benz gemacht im Schinkelbau in Berlin. Das war super, auch wenn es eine Markenkooperation war. Klar, die haben dort ihre Sessel präsentiert, was für mich jetzt eher weniger mit Kunst zu tun hat, aber ich habe für die eben diese Installation gemacht. Ich hatte ein Budget und ansonsten komplett freie Hand, wie ich es machen will und welche Materialien ich verwenden will. Natürlich haben wir das abgesprochen, aber mir hat niemand reingeredet. Das war schon ganz cool.
Finde ich spannend, solche Kooperationen zwischen Künstlern und Marken. Oft haben die Leute da ja so Schubladen im Kopf, wenn es um derlei Dinge geht. Was ein Künstler an kommerziellen Projekten angeblich machen darf und was nicht. Aber solche Kooperationen können schon toll sein, denke ich. Zumindest dann, wenn Künstler und Marke gut zusammenpassen.
Das kann schon super funktionieren und passen. Aber es gibt natürlich auch viele ganz schreckliche Beispiele. Da ist Deutschland aber auch ganz schön verbissen, habe ich das Gefühl. Ich war jetzt drei Monate in New York, dort ist das ein ganz anderes Thema.
Ich glaube sowas wird auch nirgendwo so kritisch hinterfragt, wie bei uns. In Deutschland kommt ja immer ganz schnell der Vorwurf „Sell Out“ oder ähnliches, wenn jemand nicht nur lupenreine Kunst-Kunst macht.
In Deutschland ist es schon etwas verpönt eigentlich. Ist halt sehr ernst hier, so wie die deutsche Mentalität im Vergleich zu der amerikanischen eben auch etwas ernst ist. Es ist auch so ein Schwarz-Weiß-Denken zu sagen, sobald man eine Markenkooperation eingeht, ist es ein Problem. Es gibt ja auch etliche etablierte Künstler, die Marken-Kooperationen machen, was oft überhaupt kein Problem darstellt. Manchmal passt es eben gut und ist auch irgendwie witzig, wie zum Beispiel die Anselm Reyle Collaboration mit DIOR. Als junger Künstler ist es möglicherweise schwieriger, weil du deinem Image auch schaden kannst. Ich finde man muss immer gucken, inwieweit man seine Freiheit in der Arbeit noch hat und das Ganze auch persönlich vertreten kann oder ob man das Gefühl hat, ich verkaufe mich da gerade komplett.
Du betrittst da natürlich als Künstler eine gewisse kommerzielle Ebene. Wobei der Kunstmarkt ja letztlich auch ultra-kommerziell ist.
Na klar, der Kunstmarkt… also, wenn du an einem gewissen Punkt bist, bist du ja auch in gewisser Hinsicht kommerziell, bzw. wirst du eventuell sogar selbst zu einer Art Marke. Das bringt der Erfolg wahrscheinlich einfach mit sich.
Bei international erfolgreichen und relevanten Künstlern wie Katharina Grosse finde ich es immer wieder bemerkenswert, wie konsequent da eine Position herausgearbeitet wird, die unverkennbar ist. Jede Arbeit kann man ihr sofort zuordnen. Oder wenn man eine Arbeit beispielsweise von Christopher Wool sieht, dann weiß man sofort, dass sie von ihm ist. Da könnte man jetzt endlos viele Beispiele für anführen. Wie wichtig ist es in deinen Augen, eine malerische Position zu formulieren, die unverkennbar deine ist? Und wie kommt man an diesen Punkt?
Ja, das ist total wichtig. Das Ziel muss ja sein, dass die eigene Arbeit im kunstgeschichtlichen Kontext eine Relevanz bekommt. Das ist in meinen Augen heute noch schwieriger geworden durch Social Media, weil du ständig alles siehst und permanent beeinflusst wirst von allem, was in deinem Radius ist. Ich glaube, dadurch wird es heute noch schwieriger, eine eigene Position zu formulieren, als es vielleicht vor 50 Jahren war. Da muss man sich wirklich konzentrieren, sich auf das eigene Gefühl und sich selbst konzentrieren und sich fragen: was will ich eigentlich? Wo will ich eigentlich hin und was will ich mit meiner Arbeit sagen? Will ich überhaupt irgendwas sagen? Wenn nichts von dir selbst mit drin steckt, kann deine Arbeit ja immer nur aussehen wie ein Abklatsch von…
Dann heißt es immer schnell „das sieht aus wie…“
Genau. Und wenn du dann noch bei jemandem studiert hast, wie Katharina Grosse, die auch sehr bekannt ist, und du dann auch noch ähnlich arbeitest, dann erst recht…
… dann kann man sich auch noch den Vorwurf anhören: du malst wie dein Prof.
Ja, genau. Deswegen ist es auch sehr wichtig, eine inhaltliche Thematik für sich zu finden und ein Interesse, das über das rein Visuelle hinausgeht.
Hat man nicht auch manchmal das Gefühl: Fuck, es wurde einfach alles schon gemalt?
Na klar, das hat man doch permanent! Ich denke auch oft, es wurde alles schon gemacht. Aber dann sehe ich doch immer wieder Maler, die so für sich stehen, dass ich denke: wow! Wenn ich das mal hinkriege, dass ich auf diesem Level ankomme, das wäre schon toll. Mir fällt jetzt spontan Charline von Heyl ein, einfach Wahnsinn. Jedes Bild sieht anders aus und man erkennt doch irgendwie, dass es von ihr ist. Und alles ist irgendwie total strange und ich denke mir permanent, what the fuck, wie kommt sie darauf? Aber es ist einfach immer wieder gute und erstaunlich zeitgenössische Malerei.
Ja, obwohl gefühlt alles schon einmal gemacht wurde, schaffen es doch immer wieder Leute, eine Position zu formulieren, die es so noch nie gab. Das ist einfach erstaunlich.
Ich glaube das hat viel mit Konsequenz zu tun. Konsequent zu sein und zu sagen, das ist es jetzt mal fürs erste, das mache ich jetzt erstmal weiter so für ein oder zwei Jahre und schaue dann, wo es sich hin entwickelt. Oder zu sagen: so, bei mir sieht jedes Bild anders aus und zwar immer, kann ja auch ein Ansatz in der Arbeit sein. Hmm, well, am Ende gibt es wahrscheinlich auch einfach wie immer kein Rezept.
Malerei ist am Ende dann doch Forschung, oder? So wie bei Molekularbiologen oder Atomphysikern, da forscht man und forscht man und das dauert eben…
Ja, total. Und das ist ja auch das Geile daran. Du bist die ganze Zeit am Rumwurschteln und Rumschmieren und dann kommt etwas dabei raus, was du gar nicht erwartet hast. Es ist ein Experimentieren die ganze Zeit. Und ich denke, wenn man das über eine längere Zeit ernsthaft so durchzieht, dann passiert da auch irgendwann etwas, was eigen ist und eben nicht nur ein Abklatsch von etwas anderem darstellt.
Passieren nicht eh die spannendsten Sachen durch Fehler und Missgeschicke? Ich behaupte jetzt mal, dass die interessantesten Weiterentwicklungen beim malerischen Forschen ungeplant und ohne Absicht passieren.
Fehler sind eigentlich das Beste, was passieren kann, zumindest für mich. Also, es gibt natürlich Fehler, die auch wirklich nach einem Fehler aussehen, wo man sich denkt: ok, jetzt ist das ganze Bild versaut. Aber es gibt eben auch Fehler, bei denen sich eine ganz neue Tür auftut. Da entstehen durch Fehler Dinge, die ich dann anschließend ganz bewusst einsetzen kann.
Welche Ausstellung hast du selbst zuletzt besucht?
Mmh, gute Frage... das war wahrscheinlich in London die Tomma Abts Ausstellung in der Serpentine Gallery. Die war ziemlich klasse. Ich finde Tomma Abts schon seit Jahren total super. Alles ganz kleine Bilder, immer im selben Format und jedes einzelne richtig gut.
Hast du irgendwelche Vorbilder? Oder anders gefragt: wer sind deine all time favourites?
Ganz viele Frauen irgendwie. Wen ich schon seit Jahren gut finde, ist Renée Levi. Das ist eine Schweizer Malerin, sie unterrichtet in Basel. Ich hätte auch fast bei ihr studiert, habe ich dann aber wegen London doch nicht gemacht. Die Arbeiten von ihr finde ich immer noch total interessant und kann mich nicht daran sattsehen. Katharina Grosse natürlich. Charline von Heyl, einfach der Hammer. Ich muss unbedingt noch die Ausstellung von ihr in den Deichtorhallen in Hamburg sehen. Ansonsten noch Helen Frankenthaler, Joan Mitchell, Sarah Morris und Ida Ekblad, die finde ich auch total gut.
Hast du das Gefühl, dass sich immer mehr Frauen in der Malerei einen Namen machen?
Ja, einige werden auch wieder hervorgeholt. Dadurch, dass der ganze Feminismus-Diskurs wieder frischen Wind bekommen hat – was ja auch total richtig ist – habe ich das Gefühl, dass Frauen wie Helen Frankenthaler und Joan Mitchell wiederbelebt werden. Und ich habe das Gefühl, dass in Museen und Galerien auch bewusst mehr Frauen gezeigt werden. Aber immer noch zu wenig natürlich… Da fällt mir noch Isa Genzken ein, die finde ich auch unglaublich gut. Eine super Künstlerin. Obwohl sie keine Malerin ist, wahrscheinlich meine Favoritin. Sie hat sich immer mit der Zeit bewegt und sich dagegen entschieden, eine einzige Richtung von Arbeit zu produzieren. Dafür wurde sie viel kritisiert. Ihre einzelnen Arbeiten, sowie ihr Werk als Gesamtes ist unglaublich stark und gleichzeitig nie festgefahren finde ich. Das muss man als Künstlerin erstmal schaffen. Zurück zum Thema, ich bin froh, dass es auch in unserem Alter immer mehr erfolgreiche Frauen in der Kunst und gerade auch in der abstrakten Malerei gibt. Deutschland hinkt UK und den USA ja ein bisschen hinterher, aber es ändert sich auch hier hoffentlich. Wenn dann für Arbeiten von Malerinnen noch genauso viel Geld ausgegeben wird, wie für die Arbeiten der männlichen Kollegen wäre das auch schön. Da Sexismus wahrscheinlich aber nicht von dem kapitalistischen System zu trennen ist, stehe ich einer starken Veränderung – abgesehen von einigen, wie Isabelle Graw sie nennen würde, Ausnahmefrauen – in dem jetzigen Kunstmarkt leider eher skeptisch gegenüber.
Du hast erzählt, dass du schon oft umgezogen bist. Jetzt lebst und arbeitest du in Berlin. Wie wichtig ist der Standort Berlin für dich und deine Arbeit?
Sehr wichtig. Zu allererst ist es ein Wohlfühl-Ding. Wo lebt man gern und wo fühlt man sich wohl? Das ist für mich definitiv Berlin. Hier leben auch viele Freunde von mir, die nichts mit Kunst zu tun haben, was mir auch sehr wichtig ist, um auch mal raus zu kommen aus dem Ganzen. Ich kann hier abhängen, chillen und am Späti ein Bier trinken. Berlin ist halt nach wie vor im Vergleich zu London oder New York ultra entspannt und günstig. Ein guter Lebensstandard, ist immer noch machbar. Auch wenn viele in Deutschland sagen, Berlin wird so verrückt teuer… ja, es wird sehr schnell sehr teuer und die Gentrifizierung ist sowas von da, aber im Vergleich finde ich es hier immer noch sehr angenehm.
Klar, wenn man sich den gleichen Spaß in Brooklyn erlauben will, ist das ein anderer Schnack.
Ich habe ja jetzt gerade für drei Monate in Brooklyn gewohnt. Dort hatte ich ein 10 qm Zimmer zum gleichen Preis wie meine komplette Wohnung hier in Berlin.
Was hast du in New York gemacht?
Ich hatte da eine Residency für drei Monate mit Atelier und Atelier-Besuchen und so weiter. Es war wichtig, auch mal wieder eine andere Stadt und eine andere Kunstszene zu sehen. Trotzdem bin ich froh, wieder in Berlin zu sein und hier in Ruhe arbeiten zu können.
Ich finde deine Arbeiten haben viel Leichtigkeit und wirken auf mich sehr spontan, wenn man das so sagen kann… oder im besten Sinne beiläufig.
Dass du in meinen Arbeiten eine Leichtigkeit siehst, finde ich ein tolles Kompliment. Das fühlt sich im Atelier oft anders an.
Was leicht aussieht, ist ja oft das Schwere.
Ja, total. Auch sich zu überwinden, weniger zu machen. Die Arbeit, die ich beispielsweise bei der DIRTY VOYAGE Ausstellung gezeigt habe, ist ja sehr reduziert. Das sind einfach Pinselstriche, die umrahmt sind, quasi die Basis, worauf es ankommt, reduziert auf das, was mir wichtig ist, in dem Moment der Arbeitsphase. Trotzdem war es nicht leicht für mich, die Arbeit so stehen zu lassen.
Durch das Spontane, Schnelle, bekommt es auch eine besondere Wucht.
Das stimmt. Und es bekommt auch durch die Größe eine besondere Wucht. Wenn man etwas Reduziertes auf eine solche Größe bringt, bekommt es automatisch einen gewissen Statement-Charakter.
Wie ist es für dich, wenn Leute die inhaltliche Ebene ignorieren und einfach sagen: schöne Farben, das passt super über mein Sofa. Regt dich sowas auf?
Nein, das regt mich nicht auf. Ich find’s ja schön, wenn jemand tolle Räume hat, in denen ein großes Bild Platz hat und gut wirken kann und dann finde ich es natürlich auch legitim, ein Bild zuhause hängen zu haben. Klar, wenn jemand sagt: geil, das hat die Farbe von meinem Sofa, dann denke ich auch: alright, also wenn das der Anspruch ist… aber das passiert ja nicht oft, so plump ist auch kaum jemand und wenn wird es zumindest selten so kommuniziert. Bei den letzten Verkäufen habe ich immer Leute gehabt, die eine bestimmte Arbeit wirklich geliebt haben und eine gewisse Passion dafür hatten, weil es ihnen einfach wichtig war. Es gibt auch Bilder, die würde ich gerne behalten und da fällt es mir schwer sie abzugeben. Dann ist es schön zu wissen, bei wem sie hängen. Verkaufen finde ich generell wichtig, nicht nur weil es Geld bringt, sondern auch, weil es bedeutet loszulassen und sich von etwas zu trennen. So eine Trennung schafft Platz, nicht nur physisch, sondern auch im Kopf.
In diesem Sinne, lassen wir los – danke für das gute Gespräch!
Gerne! Danke für deinen Besuch.