Conny Maier

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DU FÄNGST MIT MALEREI AN, WEIL DU ES MACHEN MUSST – ES KOMMT AUS DIR HERAUS.
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Die Malerin Conny Maier ist eine Original-Berlinerin und lebt mittlerweile auch in Lissabon. Ihr Studio in Prenzlauer Berg hat sie dennoch behalten und im Herbst 2018 habe ich die Chance, sie dort zu besuchen. Sie stellt gerade im Funkhaus Berlin aus, bei einer von Johann König kuratierten Show, und steckt mitten in den Vorbereitungen für eine Ausstellung in Paris. Ich freue mich sehr, dass sie sich dennoch die Zeit nimmt, mit mir über ihre künstlerische Arbeit, über launische Ölfarben, die Sehnsucht nach dem Analogen und vieles mehr zu sprechen.

Das Radio dudelt hier so schön vor sich hin – hörst du oft Musik beim Malen?

Wenn ich gerade ein neues Lieblingsalbum habe, dann höre ich auch Musik, aber meistens höre ich eher Infos im Radio. Bevor ich mein Lieblingslied zum eintausendsten Mal höre, verfolge ich lieber ein bisschen das Weltgeschehen, während ich im Studio arbeite. Meistens höre ich Deutschlandfunk, manchmal auch Radio Eins.

Ja, ich kenn das. Sein aktuelles Lieblingslied hören, bis es nicht mehr geht, ist auch keine Lösung. Dann lieber hören, was in der Welt so passiert oder auch in Berlin. Du bist ja gebürtige Berlinerin und dein Studio ist auch hier. Ist dir der Standort sehr wichtig oder könntest du überall arbeiten?

Ich finde es schön, aus Berlin zu sein, aber letztlich spielt es keine Rolle. Es ist letztlich nur ein Zufall und ich finde es albern, das als Schild vor sich herzutragen. Es kann sich keiner aussuchen, wo er herkommt. Anfang des Jahres bin ich nach Lissabon gezogen und seitdem pendel ich so hin und her. Mein Atelier in Berlin hab ich behalten, nicht zuletzt weil es noch günstig ist. Ich bin oft hier und irgendwie kann ich hier auch eingespielter arbeiten. In Berlin geht mir alles ein bisschen schneller von der Hand, also Material besorgen und sowas. Hier hab ich mehr Platz, mehr Ruhe und das Ganze ist etwas effektiver.

Ich meinte eigentlich eher die Stadt als Inspirationsquelle und Lebensraum, der die Arbeit beeinflusst.

Also, ich empfinde eher die Menschen in Berlin als Inspiration. Die Stadt an sich ist eigentlich austauschbar.

In Lissabon zu leben, ist sicher auch nicht übel. Ich finde,
es ist eine sehr angenehme, entspannte Stadt.

Ja, das stimmt, es ist eine schöne Flanierstadt. Ich hatte aber Irgendwie erwartet, dass es inspirierender für mich ist. Die Stadt ist eigentlich recht klein und es sind sehr viele Touristen dort. Zudem kenne ich noch nicht so viele Leute dort und kann die Sprache auch eher schlecht als recht. Das sind noch nicht die besten Voraussetzungen, um eine Stadt zu erobern (lacht). Lissabon ist erstaunlich teuer. Ich hoffte dort eigentlich für weniger Geld ein größeres Atelier haben zu können als hier – tatsächlich ist es aber genau umgekehrt. Ich teile mir das Atelier mit zwei Anderen und es kostet auch noch mehr. Aber das ist ok und es ist auch eine tolle Erfahrung, die ich nicht missen möchte. Man darf nicht vergessen, dass es für die Menschen dort im Verhältnis noch teurer ist. Sie verdienen in der Regel weniger und haben noch mehr mit den hohen Preisen zu kämpfen als wir.

Und wie oft bist du noch hier in Berlin?

Ich versuche etwa einmal pro Monat in Berlin zu sein.

Gibt es eigentlich euer Label LookyLooky noch?

Nein, das haben wir nach 10 Jahren geschlossen. Es war eine schöne Zeit und hat viel Spaß gemacht. Wir haben viele Leute darüber kennengelernt usw., aber irgendwann steht man vor der Frage: will man sich ernstgemeint vergrössern mit allen Risiken und bedient die Wünsche des Marktes oder bleibt man „Indie“?

Ich habe euch damals immer als ein kleines, sympathisches Berliner Mode-Label wahrgenommen. Aber nie als etwas, das wirklich eine große Marken werden will.

Wir waren wirtschaftlich nicht sonderlich begabt. Uns war wichtig, alles genau so zu machen, wie wir uns das vorstellten. Nenn es unkommerziell sein. Alles nicht die perfekte Ausgangsbasis, um erfolgreich zu sein (lacht).

Ihr seid nicht gerade hart businessmäßig an die Sache rangegangen.

Haha, nein ganz im Gegenteil. Wir haben sogar mal einen Business-Kurs gemacht, aber ja… was soll ich sagen. Das Schwierigste ist eigentlich die Steuer. Dachten wir - jetzt könnte es laufen, wir haben Geld übrig, um zu investieren, kam meist eine Nachzahlung / Vorauszahlung / Zahlung. Das macht es zusätzlich schwer, ein Label zu haben.

Und nach der ganzen Nummer hast du dich nicht weiter bei Kunstakademien beworben, sondern gesagt:
 Ich mach’s jetzt einfach auf eigene Faust? Irgendwann ist ja auch der Punkt gekommen, wo man nicht mehr auf eine Uni warten sollte, die einem die Lizenz erteilt, Künstlerin sein zu dürfen.

Ja, auf jeden Fall. Ich dachte ganz lange, das muss so sein und wenn man nicht studiert hat, dann weiß man nicht, wie es geht. Aber das stimmt natürlich so nicht. Ich habe viele Freunde, die Kunst machen und mit denen stehe ich im regen Austausch.
Durch den Austausch merkst du ja auch selbst, worauf es dir ankommt, welche Fragen du bearbeiten willst etc. Und irgendwann braucht man das Studium dann auch nicht mehr. Vielleicht ist es sogar besser so. Francis Bacon sagte wohl mal: gut, dass ich nie Kunst studiert habe, wie hätte ich mich denn sonst frei entwickeln können? Und ein bisschen - behaupte ich mal – ist da auch was dran. Die Wahrheit liegt wahrscheinlich irgendwo dazwischen, für manche ist es toll an der Kunstakademie, andere bräuchten eher ein anderes System.

Warum hast du dich für die Malerei als Medium entschieden?

Weil es das Einzige ist, was ich immer machen wollte. Ich finde auch andere Medien gut, aber es interessiert mich nicht, das selbst zu produzieren. Wobei Malerei kann schon tückisch sein manchmal, was ich aber prinzipiell gut finde. Ich male ja hauptsächlich mit Ölfarben und bin ein sehr ungeduldiger Mensch. Und Malerei mit Öl ist so ziemlich das Gegenteil von Ungeduld. Die Ölfarben sind zwar intensiver, aber gleichzeitig auch störrischer und viel launischer. Wenn man das auf sich nimmt, wird man belohnt.

Wie würdest du deinen Arbeitsprozess beschreiben?

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Ich lese viel und bringe dann oft die gelesenen Dinge mit Themen in Verbindung, die mich interessieren. Auch wenn meine Arbeiten auf den ersten Blick manchmal lustig aussehen mögen, will ich damit Kontroversen anstoßen. Da geht es mir beispielsweise um Themen wie soziale Ungerechtigkeit oder sexualisierte Umgebungen. Momentan haben die Personen auf meinen Bildern immer so einen aufgerissenen Mund. Das kann als Staunen angesehen werden, es kann aber auch mit Angst oder mit den Mündern von Sexpuppen assoziiert werden.

Die Gesichter sind schon sehr markant. Man weiß dann immer sofort, dass das Bild von dir ist.

Das freut mich.

Ich habe gerade die Ausstellung im Funkhaus besucht und fand deine Arbeiten dort wieder sehr prägnant und stark. Natürlich auch in einer tollen Location und eine super Zusammenstellung von jungen Künstlern. Allerdings fand ich die Hängung von deinen Sachen nicht so ganz glücklich in dem engen Gang.

Ja das stimmt, ich hatte einen etwas undankbaren Platz. Letztlich spielt es aber keine Rolle und ich bin froh, dass ich dabei sein konnte.

Wie kommt so eine Connection zustande? Ruft dann Johann König einfach an und fragt, haste Bock?

Haha ja, er hat mir eine Instagram-Nachricht geschickt (lacht). Und dann schrieb mir seine Assistentin, ob ich dabei sein will. Dann habe ich mir angesehen, wer da alles vertreten ist. Und da ich die anderen Künstler alle gut fand, habe ich mich gefreut, dort auch stattzufinden.

Ich fand die Ausstellung auch insgesamt gut, obwohl ja die Red Bull Music Academy viel mehr im Fokus stand als die Kunst. Mit Andy Kassier, Haiyti, Janes Haid-Schmallenberg, Aneta Kajzer, Marion Fink und einigen anderen waren neben dir ja noch viele weitere tolle Leute vertreten.

Ja, der Johann König macht das schon sehr gut mit seinen Ausstellungskonzepten. Auch wenn manchen das vielleicht manchmal zu kommerziell, poppig oder was auch immer ist, er ist meiner Meinung nach ein sehr guter Galerist und geht eigene Wege. Er ist da schon weit vorne.

Ja, er macht das auf jeden Fall sehr schlau und trifft da ja auch einen Zeitgeist. Wenn man sich anguckt, was in der St. Agnes Kirche teilweise bei den Ausstellungseröffnungen los ist, das ist schon erstaunlich.

Ja, er erreicht so einfach nochmal andere Leute. Viele haben vielleicht auch Lust auf den Kunstzirkus, aber trauen sich nicht oder finden den Zugang nicht. Die Eröffnungen bei König sind immer wahnsinnig voll mit jungen Leuten. Er hat da eine Schneise geschlagen zur Interessenwelt der ganzen Agenturmenschen etc. Da hilft natürlich auch die Nachbarschaft zu 032c, die ja in ihrem Bereich auch kontrovers und outstanding sind. Eine gute Symbiose für beide Seiten würde ich sagen.

Ja, das stimmt. Da kommt einiges zusammen, was gerade auch in Berlin viele Leute anspricht und interessiert.

Und das hat ja auch sein Gutes. Manche fangen vielleicht bei König an, Ausstellungen zu besuchen und gehen dann auch mal zu Meyer Riegger oder auch in kleinere Gallerien und bekommen so vielleicht auch Lust, selbst zu sammeln und unterstützen damit wieder junge Künstler etc., dann macht das auch schon wieder Sinn.

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Du hast vorhin mal Dinge angesprochen, die du in deiner Arbeit thematisierst, wie beispielsweise soziale Ungerechtigkeit. Darauf würde ich gern nochmal zurückkommen. Ich bin ein großer Fan deiner Tennis-Serie, das sind meine Lieblingsbilder von dir. Wie sind diese Tennis-Bilder thematisch einzuordnen?

Danke, das freut mich! Ich hatte nie irgendetwas mit Tennis zu tun, außer wenn ich es früher als Kind im Fernsehen gesehen habe. Tennis ist ein elitärer und ausschließender Sport. Es ist was Anderes, ob man in einem Einzelsport trainiert wird oder ob man Basketball im Team in irgendeinem Hinterhof beginnt. Tennis ist ein Ego-Sport und sehr privilegiert. Mir hat es Spaß gemacht, das zu kippen. Die Figuren haben in meinen Bildern gar keine Schläger in der Hand, die sehen auch ein bisschen doof aus und wissen nicht, wohin mit dem Ball und so. Dazu dann die aufgerissenen Augen und Münder, wo man nicht weiß, sind die jetzt erschrocken, weil der Ball auf sie zufliegt oder was machen die da jetzt. Es hat mir Spaß gemacht, das zu verdrehen.

Ja, man spürt deinen Spaß am Veralbern dieser Welt und gleichzeitig eine Freude an dieser Tennis-Ästhetik. Ich erinnere mich an die Tennisbilder, die du in Wien gezeigt hast, danach gab es aber noch weitere, oder?

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Ja, in Wien das waren die ersten Tennisbilder von mir. Danach habe ich noch welche für die Gruppenausstellung bei Ruttkowski im Januar gemacht, da hatte ich ein Diptychon ausgestellt. Im Dezember habe ich dann eine Einzelausstellung bei Ruttkowski, wo Tennis auch nochmal das Thema sein wird. Wobei die Tennis-Serie damit dann vermutlich auch seinen Abschluss finden wird.

Ok, aber sie hat dich nun schon eine Weile begleitet die Tennis-Serie. Kann man sagen, dass die Kritik an gesellschaftlichen Eliten als Thema der Ausgangspunkt für deine Tennisbilder war?

Ja schon, aber nicht nur das. Es macht sich auch sehr gut, die weißen Personen auf dem großen Platz. Das ist ja schon per sé ein Luxus. Ein gemaltes Bild ist ebenfalls Luxus. Obwohl die Bilder das Elitäre kritisieren, werden sie am Ende – falls sie denn verkauft werden – auch wieder von Leuten gekauft, die ebenfalls privilegiert sind. Und Idealerweise holt man sich damit den Widerspruch und die Nachdenklichkeit ins Haus.

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Du hast gerade Ruttkowski erwähnt – bist du noch bei anderen Galerien vertreten?

Nein, ich bin nur dort. Ich habe dieses Jahr auch bei Haverkampf mit ausgestellt, ein Gastspiel. Bei Ruttkowski bin ich aber fest, glaube ich zumindest (lacht).

Da sind ja wirklich tolle Leute vertreten, wie Antwan Horfee, Stefan Marx, Ricardo Passaporte, …

Ja, ich mag die Positionen, die dort vertreten sind. Und mir gefällt auch, dass sie ein bisschen anders sind als viele eher konventionelle Galerien. Dadurch wird auch eine andere Klientel erschlossen, was ich sehr spannend finde. Ich bin auch glücklich darüber, dass ich dort stattfinde, denn als Autodidakt hast du schon mit vielen Vorurteilen zu kämpfen. Und dir fehlt ja die Uni-Connection über die Rundgänge und all das.

Du meinst der Einstieg ist leichter, wenn man z.B. von der Akademie in Düsseldorf oder von der UdK Berlin kommt?

Na klar, da hast du schon mal eine andere Basis. Du wurdest dort aufgenommen, hattest vielleicht eine Meisterschüler-Ausstellung und all diese Dinge, die den Start sicher erstmal einfacher machen. Aber irgendwann relativiert sich das dann auch wieder. Nach dem Studium müssen die Leute dann ja auch husteln – aber ich musste halt direkt von Anfang an kämpfen…

… und das tust du ja sehr erfolgreich. Wie kam denn die Connection zu Ruttkowski zustande?

Das war ein Zusammenspiel aus Zufall, tollen Freunden, Fleiß und Glück. Einige meiner Freunde kennen den Nils, der die Galerie betreibt und ich vermute mal, die haben ihn immer wieder bequatscht, sich meine Sachen anzugucken. Ich hatte auch irgendwann mal einen Katalog hingeschickt und sowas. Dann letztes Jahr im Dezember kam ein Anruf vom Nils, ob ich Lust habe, bei einer Gruppenausstellung dabei zu sein. Und dann gab’s Anfang des Jahres eine weitere Ausstellung, die gut funktioniert hat. Ja und mittlerweile bin ich fest im Programm, wobei das ja jetzt auch nicht unbedingt heißt: jetzt habe ich es geschafft, jetzt läuft’s!

Bei Ruttkowski sind ja einige junge Maler vertreten und auch generell ist Malerei wieder auf dem Vormarsch. Manchmal frage ich mich, warum so viele junge Leute auf eine multimediale, hochkomplexe Welt, wie wir sie heute erleben, mit einem so klassischen Medium wie Malerei antworten. Wie kommt das?

Zunächst mal glaube ich, dass es das einfachste Medium ist, um zu beginnen. Du brauchst nicht so viel Platz oder Geld und kannst dich schnell ausdrücken. Dazu kommt noch, dass sich die Leute aus deinem Umfeld das zumindest potentiell auch kaufen können. Malerei ist so erreichbar. Wenn ich Video-Kunst, Internet-Kunst, Bildhauerei oder was auch immer mache, kann das schon schwieriger werden. Und ich glaube ein wichtiger Punkt ist die Einzigartigkeit. Malerei ist nicht reproduzierbar, was ja bei vielen Medien anders ist. Und sicherlich ist auch der Zugang zur Malerei einfacher und direkter für viele Leute als zu eher konzeptionellen Arbeiten.

Ja, Malerei ermöglicht sowohl für den Künstler als auch für den Rezipienten einen sehr direkten Zugang. Mag sein, dass es damit zusammenhängt. Auf jeden Fall scheint Malerei immer wieder zurück zu kommen…

Das stimmt. Wie oft hieß es schon, die Malerei ist am Ende. Beinahe alle 10 Jahre.

Auch wenn alles schon gemalt, durchdacht und wieder und wieder hinterfragt wurde, entstehen ja doch immer wieder Positionen, die sehr eigenständig und neu sind.

Letztlich geht es ja für den Künstler erstmal um das Erschaffen selbst, egal, ob es ähnliches schon mal gab oder nicht. Da ist erstmal die Suche nach deiner eigenen Form. Du fängst irgendwo an und beginnst dann weiterzudenken. Du fängst mit Malerei an, weil du es machen musst – es kommt ja aus dir heraus.

Ja, das denke ich auch… Nochmal bezogen auf das Comeback der Malerei: ich glaube die Digitalisierung immer größerer Lebensbereiche schafft auch eine Sehnsucht nach analogen Erfahrungen. Sowohl für die Akteure, also die Malerinnen und Maler, als auch für die Rezipienten der Malerei.

Ja, das würde ich auch sagen. Nicht umsonst töpfern jetzt alle wieder, brauen ihr eigenes Bier und fangen an zu gärtnern. Das kommt aus einer tiefen Sehnsucht heraus. Vielleicht kommt noch hinzu, dass der Betrachter eines Gemäldes eben auch die vielleicht etwas nostalgische Vorstellung hat, wie der Künstler dort saß und das gemalt hat. Ich glaube, man findet es irgendwie gut, dass es immer noch so ist, wie vor 300 Jahren.

Das ist ein interessanter Punkt. Isabelle Graw hat diesen Aspekt in ihrem aktuellen Buch beschrieben als „vitalistische Phantasien, (...) die Eigenschaften wie Subjektivität, Lebenskraft oder Beseeltheit in tote Materie hineinimaginieren.“ Da geht’s auch darum, beim Betrachten des Gemäldes sich dem Künstler näher zu fühlen.

Oh interessant, das notier’ ich mir mal… Und dann gibt es ja immer noch die gute alte Goldgräberstimmung und die Hoffnung, wenn ich mir ein Bild kaufe, dass es irgendwann vielleicht doch mal unfassbar viel Wert ist.

Malerei hat ja auch immer davon profitiert, dass es ein dankbares Medium ist, wenn es um Verkauf geht…

Ja, stimmt. Mal sehen, ich denke Malerei wird immer dableiben. Oder auch immer wieder zurückkommen. 
Wie meinetwegen auch Vinyl-Platten oder Polaroid-Fotos.

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Das Fehlerhafte des Analogen macht es menschlich und schön, danach wird es immer eine Sehnsucht geben.

Es ist ja nicht nur die Malerei wieder angesagt, sondern auch Frauen in der Malerei. Es gibt immer mehr Malerinnen oder sagen wir mal: Malerinnen haben heute immer mehr Sichtbarkeit.

Die Frauen in der Malerei gab’s immer schon, nur sind sie jetzt en vogue. Und sicherlich hat auch einfach die Emanzipation endlich stärker gegriffen und es gibt immer mehr Frauen, die sich trauen zu sagen: hier bin ich, das mach ich und das ist geil. So verhalten sich ja sonst eher Männer…

Also, ist es eher eine Sache des gestiegenen weiblichen Selbstbewusstseins?

Auch. Und ich denk schon, dass die Zeit dafür einfach reif ist.

Würdest du sagen, es ist schwerer sich als Frau im Kunstmarkt durchzusetzen?

Es ist immer schwer. Für jeden, ganz egal ob Mann oder Frau. Aber ich glaube wir Frauen neigen dazu, eher mal nachzugeben anstatt die Ellenbogen auszufahren. Das findet man ja auch immer wieder in Studien über Frauen in Führungspositionen usw. Wir sind einfach etwas friedvoller und lassen Dinge eher geschehen als auf Konfrontation zu gehen. Und eins hat sich auch geändert:
Frauen fangen an, stärker zu connecten und sich mehr als Gruppe zu sehen anstatt als Konkurrentinnen. Diese alte Denke ‚Männer kumpeln und Frauen kumpeln nicht’ ist vorbei, glaube ich. Da hat es auch bei vielen mittlerweile einfach klick gemacht und Frauen fangen an, andere Frauen zu fördern sobald sie dazu in der Position sind (danke an die Frauenquote).

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Siehst du dich als Teil einer Gruppe bzw. trittst du auch mit anderen Künstlerinnen zusammen als Gruppe auf?

Es gibt zwei Künstler und gute Freunde, mit denen ich dieses Jahr in der Kunsthalle Memmingen zusammen ausgestellt habe. Das ist meine Gruppe, obwohl wir total unterschiedliche Arbeiten machen. Mit den beiden tausche ich mich immer aus und sie begleiten mich schon ganz lange. Das sind aber zwei Jungs.

Sind die beiden auch Maler?

Ja, Michael Günzer und Dennis Buck. Mit denen hab ich den ehrlichsten und auch witzigsten Austausch.

Wer sind deine Vorbilder in der Kunst? Gibt es Künstler oder Künstlerinnen, die du bewunderst?

Marlene Dumas mag ich, weil sie schlecht malt und dabei wahnsinnig gut malt und sehr eigen ist. 
Ich bin ein figurativer Freund, finde Paul Gauguin gut (wer findet Gauguin nicht gut?). Und Peter Doig, Pierre Knop. Matisse natürlich, auch Picasso, den hab ich aber erst spät für mich entdeckt. Mark Rothko mag ich auch sehr. Ich kann gar nicht so richtig erklären, warum eigentlich, aber es berührt mich. Sicher auch Andy Warhol, aber meine Nr.1 ist Marlene Dumas. Natürlich auch Kirchner und die Brücke.

Auch auf die Gefahr hin, dass du das jetzt voll daneben findest, aber ich musste bei deinen Arbeiten irgendwie an Andre Butzer denken. Keine Ahnung, warum. Also ich meine jetzt weniger die minimalistischen Sachen, sondern das, was er glaube ich als „Science-Fiction Expressionimus“ bezeichnet. Wie findest du seine Bilder?

Es könnte schlechtere Vergleiche geben (lacht). Ich denke, es hat dich daran erinnert, wegen der Augen, die er malt. Ich mag beides gerne; das Minimalistische, weil es so schön faul ist und das Expressionistische sowieso. Von den jüngeren finde ich Christian Rosa zum Beispiel super oder auch Aneta Kajzer, Anna Paul, Andi Fischer, Michael Günzer, Dennis Buck, Jenny Brosinski, Umut Yasat, Rade Petrasevic, Sophia Süßmilch, Dekan Ducic. Wen ich auch noch sehr mag, ist Tal R und auf jeden Fall auch Louise Bonnet.

Die Louise Bonnet malt echt so abgedrehtes Zeug.

Ja, allerdings. Ich kann nicht mal sagen, ob ich es wirklich geil finde oder nicht. Aber ihre Arbeiten sind so schön eigen. Und es entwickelt sich bei ihr vom Figürlichen hin zu so reinen „Körper-Dingern“, das finde ich schon irgendwie geil.

Ja, auf jeden Fall sehr eigen und speziell. Bei ihren Arbeiten denke ich manchmal – wie bei deinen übrigens auch – oh man, warum bloß? Wie zur Hölle kommt sie darauf? Was soll das? Aber im positivsten Sinne!

Haha, sehr schön!

Du hast vorhin Christian Rosa angesprochen. Wenn ich seine Sachen sehe, erscheint mir das alles sehr schlüssig. Super Typ, super Arbeiten, trifft sicher auch voll einen Zeitgeist. Ich finde seine Arbeiten sehr gut, aber es entsteht bei mir kein Fragezeichen im Kopf, alles komplett nachvollziehbar. Und dann gibt es Leute wie Bonnet oder dich; Ich finde deine Sachen ganz toll, aber habe auch viele Fragezeichen im Kopf.

Ja der macht super Sachen! Natürlich freut es mich sehr, dass Du bei mir ins Grübeln kommst. Ich denke es gibt immer einzelne, die aus der Menge der Maler herausstechen, weil sie sehr eigenwillige, spezielle und wenig konformistische Sachen machen. Vielleicht auch, weil sie müssen oder einfach nicht anders können. Und ich hoffe sehr, dass ich auch mal dazugehöre.

Was läuft aktuell bei dir an Ausstellungen und was kommt als nächstes?

Aktuell stelle ich im Funkhaus Berlin aus, wo wir vorhin drüber gesprochen haben. Dann kommt eine Gruppenausstellung und anschließend eine Einzelausstellung, beides bei Ruttkowski in Paris. Und momentan organisiere ich für Anfang des kommenden Jahres eine Ausstellung mit meinen Freunden Michael Günzer und Dennis Buck, mit denen ich auch die „Provincetown“ Ausstellung in Memmingen gemacht habe. Wir hatten mal eine Ausstellung in Ulm, die hieß „Dorf“, dann kam die Ausstellung „Provincetown“ und jetzt kommt quasi die nächste Ausstellung in dieser Serie „Atlantis 3000“. Da freue ich mich sehr drauf!

Klingt super, es bleibt spannend. Halt mich auf dem Laufenden und danke für das gute Gespräch!

Mache ich. Und ja, sehr gerne, hat Spaß gemacht!

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Malte Buelskaemper