Laura Sachs

_DSC0069 Kopie.JPG
In der Philosophie geht man den Dingen auf den Grund. Dieses Vorgehen entspricht bis heute meiner künstlerischen Suche.
LH.jpg

Laura Sachs (*1985, Darmstadt) hat an der Kunstakademie in Düsseldorf studiert, sie lebt und arbeitet mittlerweile aber hauptsächlich in Berlin. Ihr Atelier liegt mitten in Neukölln, wo wir uns Ende Mai getroffen haben. In dem wunderbar friedlichen und sonnigen Innenhof konnten wir – nach fast drei Monaten Lockdown – die kritische Weltlage mal für einen Augenblick vergessen und uns ganz auf die Kunst und Lauras Arbeiten einlassen. 
Wir sprachen unter anderem über ihre Solo-Ausstellung, die sie Anfang des Jahres hatte, über die Zeit an der Akademie, über Metallverarbeitung, Philosophie, Pflanzen im Atelier und Musik hören beim Malen. 

Danke Laura, dass du dir die Zeit genommen hast für unser Treffen. Der Innenhof deines Ateliers hier ist herrlich. Schön ruhig, obwohl du ja eigentlich mitten in einem sehr lebhaften Kiez bist. Wie ist es so, hier in Neukölln zu arbeiten? 

Die Nähe zur Sonnenallee macht die Umgebung sehr lebhaft. Dagegen ist es vor meinem Atelier eher ruhig. Ich mag diesen Gegensatz in meinem Atelierumfeld und kann hier sehr gut arbeiten. 

Du hast in Frankfurt am Main und Düsseldorf studiert und lebst nun schon eine ganze Weile in Berlin. Wie hat sich der Standortwechsel auf dich und deine Arbeit ausgewirkt?

Der Standortwechsel hat sich nicht so sehr auf meine Arbeit ausgewirkt. Ich finde es jedoch sehr inspirierend ein neues Umfeld zu haben. Hier in Neukölln haben viele Künstlerinnen und Künstler ihre Ateliers und ich schätze den Austausch. Ich pflege auch weiterhin intensive Kontakte nach Düsseldorf und dem Rheinland und pendle nun öfter mal hin und her. 

Und der chinesische Geldbaum in deinem Studio ist mit nach Berlin umgezogen?

IMG_2329.JPG

In der Zeit kurz vor meinem Abschluss an der Kunstakademie in Düsseldorf stand eines Tages der chinesische Geldbaum in dem Raum, in dem ich meine Abschlusspräsentation vorbereitet habe. Die Pflanze hat mich während meines Abschlusses begleitet, danach habe ich sie mit nach Berlin genommen. Mittlerweile hat sie viele Ableger produziert, die ich weitergebe. 

Bevor du an die Kunstakademie Düsseldorf gegangen bist, hast du in Frankfurt Philosophie und Kunst studiert. Ich habe den Eindruck, dass deine theoretische und philosophische Vorbildung sehr gut zu deiner praktischen Arbeit passt und sich darin auch niederschlägt. Siehst du das auch so? Wieviel Philosophie steckt in deiner Malerei? 

Das Philosophie-Studium war für mich und meine künstlerische Praxis eine sehr gewinnbringende Zeit. In der Philosophie geht man den Dingen auf den Grund. Dieses Vorgehen entspricht bis heute meiner künstlerischen Suche. 

Du hast danach an der Düsseldorfer Akademie bei Hubert Kiecol und Gregor Schneider studiert – was sehr interessant ist, weil beides Bildhauerklassen sind. Wie war es dort für dich und was konntest du aus der Zeit mitnehmen?

Meine Zeit an der Kunstakademie war für mich sehr wichtig. Ich hatte zu dieser Zeit viele Fragen, die sich nicht auf die Malerei bezogen. So war es ein guter Zufall, dass mich Hubert Kiecol in seine Klasse einlud. Er hatte wohl etwas in meiner Arbeit gesehen, dass ich für mich noch formulieren musste. Der Austausch in dieser Zeit war für mich ein essentieller Nährboden, auf dem die Eckpfeiler meiner heutigen künstlerischen Haltung sowie viele Aspekte meiner eigenen Praxis basieren. In der Klasse von Gregor Schneider präzisierten sich meine Antworten auf bestehende Fragen weiter. 

Inwiefern konnte jemand wie Gregor Schneider, der vor allem Räume baut und für Arbeiten wie „German Angst“, „Totes Haus u r“ oder den „Sterberaum“ bekannt ist, dich speziell bei deiner Entwicklung als Malerin weiterbringen? 

Es kommt meines Erachtens weniger darauf an, wie nah etwaige künstlerische Positionen beieinander liegen, um etwas Wesentliches aus einem Diskurs mitnehmen zu können. Vielmehr geht es um Offenheit, und vielleicht auch gerade um das Zulassen von Fragen, die sich aus dem nicht direkten Verstehen heraus entwickeln. Vielleicht sind das die wesentlichsten Fragen. Deren Beantwortung ist schwierig, aber essentiell.   

Wie war für dich der Schritt aus dem Studentenleben an der Akademie in die „echte Welt“ mit Kunstmarkt und allem, was dazugehört?

Glücklicherweise habe ich schon während meines Studiums ausgestellt und konnte bereits ein paar Erfahrungen sammeln. Während des Studiums an einer Akademie geht es oftmals mehr um die Kunst an sich, als um den organisatorischen Aufwand darum herum. So ist die Zeit nach dem Studium ein stetiger Lernprozess. Alles in allem ist es eine spannende Zeit. 

Du hattest vor Kurzem deine Solo-Ausstellung “conversations” bei SETAREH X in Düsseldorf. 
Leider konnte ich nicht vor Ort sein und habe nur Fotos gesehen davon. Kannst du ein bisschen erzählen,
worum es dir in der Ausstellung ging?  

Installation 01 NEUkl.jpg
Installation 02 NEUkl.jpg

Generell ist mir wichtig, dass die Arbeiten in einem Ausstellungsraum in einen Dialog miteinander treten können.
Der Raum von Setareh X in Düsseldorf, mit seinen vielen Blickachsen, spielte daher in der Konzeption der Ausstellung eine wesentliche Rolle. Der Titel ‘conversations‘ ist zudem eng mit meiner Arbeitsweise verbunden. Denn auch im Atelier stehe ich mit meinen Arbeiten im Austausch.

Installation 03 NEUkl.jpg
Installation 05 NEUkl.jpg

Ich habe den Eindruck, dass Materialität bei deiner Arbeit extrem wichtig ist. Welche Materialien benutzt du und warum?

Neben den grundlegenden Bestandteilen einer Leinwand, wie Baumwolle, Leinen, Grundierung und Keilrahmen verwende ich zusätzlich Elemente aus Metall, Holz, Stoff oder auch Staub aus meinem Atelier. Für mich hat Malerei ganz entscheidend mit dem Umgang mit Material zu tun. Meine Arbeit steht bereits in ihrem Anfang im Kontext der Verarbeitung von Material, zum Beispiel bereits beim Aufbau der Leinwand. Hinzu kommt: Farbe ist für mich nicht nur Farbigkeit, sondern gleichsam Material. Im Englischen ist es besser verständlich, hier unterscheidet man zwischen colour und paint. Wenn ich also Farbe zu einem bestimmten Zweck einsetze, geht es mir nicht nur um deren Farbigkeit, sondern gleichsam um deren materialspezifische Beschaffenheit. 

Du hast mal erwähnt, dass du die Farbe von der Rückseite mit einer Art Durchdruck-Technik aufträgst. Kannst du einmal beschreiben, wie das genau funktioniert? 

In bestimmten Werkgruppen, wie beispielsweise der Serie Noon, wird die Farbe wie durch ein Sieb durch die Leinwand hindurch gedrückt. Die Leinwand fungiert so als eine Art Transfermaterial. Auf dem Weg zum letztendlichen Bild hin wird die Leinwand mehrfach vom Bildträger ab- und wieder aufgespannt. Am Ende wird die ursprüngliche Rückseite des Bildes zur frontalen Ansichtsfläche.

Laura Sachs_Noon 01612L_2020.jpg
Laura Sachs_Noon 01612I_2020.jpg

Mit den Metall-Elementen, die du verwendest, nimmst du Eingriffe vor, die gewissermaßen über die malerische Fläche hinausgehen. Und das Metall wirkt dabei wie ein Gegenspieler zur Fläche, auf der es aufliegt. Kann man das so sagen oder wie würdest du es beschreiben - welche Rolle spielen die Metall-Elemente für dich?

Die von mir verwendeten Metalleingriffe sind für mich gegenüber der Bildfläche gleichberechtigte Gesprächspartner im Bild. Alle Flächen und Formen treten durch das Setzen eines Eingriffs miteinander in den Dialog. Die Form und Farbe des Metalls fordert die Bildfläche heraus und umgekehrt. Zusätzlich forcieren die Eingriffe die Frage nach der Objekthaftigkeit der Bilder, und damit auch nach den Interaktionsmöglichkeiten von Material und Farbe. 

Die schwarzen Alu-Rahmen, die du zum Teil verwendest, sind in meinen Augen perfekt für deine Bilder – sie wirken eigentlich gar nicht wie Rahmen, sondern eher wie ein Teil der Arbeit. Die Schattenfuge könnte auch eine Linie sein, die du selbst gesetzt hast. Wie kamst du zu dieser Rahmung und wer fertigt dir diese sensiblen Rahmen so perfekt an? 

IMG_2309.JPG

Für mich sind die Rahmen wichtiger Teil der Arbeit und keine Rahmen im herkömmlichen Sinn. Durch die Einrahmung entsteht die für mich wesentliche Lücke zwischen Bildfläche und Material, welche ich durch das Einsetzen eines Materialeingriffes aus Stoff betone. Der  Rahmen ist eine Art Passstück für das Bild, es bekommt dadurch einen deutlichen Objektcharakter. Bereits in der Kunstakademie habe ich angefangen, mit Metall zu arbeiten und dieses nachher selbst bearbeitet und geschweißt. Für die Verarbeitung von Aluminium braucht man sehr viel Erfahrung, da das Material nicht sehr hitzebeständig ist, sodass es beim Schweißen schnell zerfließt. Hierfür arbeite ich mit Experten zusammen, die selbst ab und zu an ihre Grenzen kommen. Denn insgesamt ist die Arbeit mit Metall, vor allem mit Aluminium sehr mühsam, es ist unglaublich zeitaufwendig, es gibt viel Ausschuss, und dadurch wird es kostenintensiv. Dennoch schätze ich das Material und seine Eigenschaften sehr. 

Du arbeitest beim Malen auch mit dem Moment des Zufalls und hast mir mal gesagt, dass dir das wichtig ist. Kannst du erläutern, inwiefern?  

In meiner Malerei ist mir ein Moment des Zufalls genauso wichtig, wie eine gezielte Setzung. Im Zufall jedoch liegt die Natur des Prozesses und damit der Entwicklung. 

Wie schafft man es, sich mit seinen Arbeiten selbst zu überraschen?

In dem man genug Raum für Zufälle lässt. Nur so entwickelt sich die Arbeit weiter. 

Ice_140x100cm,Sachs .jpg
Dusk_140x100cm,Sachs.jpg

Ich habe den Eindruck, dass du sehr akkurat arbeitest – wie passt das mit dem Zufall zusammen bzw. damit, auch mal ein Stück Kontrolle im Prozess abzugeben? 

An mancher Stelle bin ich an einer akkuraten Bearbeitung interessiert, an anderer Stelle ist mir das Loslassen wichtig. Ich mag es, wenn meine Bilder beide Aspekte enthalten. In meiner Malerei geht es mir nicht um einen perfekten Produktionsablauf, wie bei einer Maschine. Es geht mir darum, das Menschsein, die eigene Handschrift in den Arbeitsabläufen erkennbar werden zu lassen und meine Arbeit weiterzuentwickeln. Auch das Material mit dem ich arbeite, hat seine individuellen Bearbeitungseigenschaften, die ich miteinbeziehen muss. So strebe ich nicht nach technischer Perfektion, sondern vielmehr nach Authentizität und künstlerischer Perfektion in meinem eigenen Sinn.  

Installation 04 NEUkl.jpg

Ich könnte deine Bilder ewig ansehen, weil sie eine beruhigende Wirkung auf mich haben. Die Ausgewogenheit, die Reduktion, wunderbar. Ist das eigentlich gewünscht oder was soll die Wirkung sein? Denkst du viel über den Dialog zwischen Bild und Betrachter nach? 

Sich selbst in den Dialog mit einer Arbeit zu setzen, ist etwas sehr Individuelles und absolut Wichtiges, um einen eigenen Zugang zu erhalten. Über diesen eigenen Zugang oder Eindruck kann man sich mit anderen Menschen austauschen, obgleich die Lesart individuell bleibt. Insofern denke ich nicht viel über den Dialog zwischen Bild und Betrachter nach. Ich freue mich aber über gute Gespräche.  

Gibt es konkrete Themen, die du bearbeitest oder Botschaften, die du gerne vermitteln möchtest mit deinen Arbeiten?  

IMG_2311.JPG

Es geht mir grundlegend um die Suche nach Klarheit. Und um die Beantwortung von für mich relevanten Fragen, sei es materialspezifisch oder in Bezug auf die Fläche, auf Proportionen sowie in Bezug auf die verschiedenen Einsatzmöglichkeiten von Material und Farbe. Mein Arbeitsprozess entwickelt sich aus einem Selbstzweck heraus. Eine spezielle Botschaft gibt es in meinen Arbeiten nicht.

Hast du eigentlich immer schon so radikal reduziert und minimalistisch gearbeitet oder hast du dich erst im Laufe der Zeit dahin entwickelt?

Das war ein Prozess. Mein Interesse galt jedoch schon immer abstrakten Formen und reduzierten Flächen. Meine eigene Arbeit hat sich über abstrakte Formen hin zu reduzierten, monochromen Flächen entwickelt. Das ist bis heute das Spektrum, in dem ich mich mit meiner Malerei befinde. Die totale Reduzierung war für mich sehr wichtig, da ich mich an dieser Stelle gefragt habe, um was es mir geht, wenn fast nichts mehr da ist. Erst an diesem Punkt der Reduzierung, habe ich verstanden, welche Aspekte für mich persönlich wichtig sind. Im Kontext dieser Fragestellung sind vor einigen Jahren die so genannten Eingriffe, zunächst aus Metall, entstanden.

ÖÖ.jpg

Welche (abstrakten) Maler*innen findest du besonders spannend? Und welche Künstler*innen haben dich am meisten beeinflusst im Laufe der Zeit?

Es gibt viele Positionen, die mich aus dem einen oder dem anderen Grund interessieren oder die mich beeinflusst haben. Nicht immer ist es die künstlerische Position, manchmal auch eine Haltung oder auch nur ein bestimmtes Werk. Da wären beispielsweise Arbeiten von Agnes Martin, Frank Stella, Imi Knoebel und Rosemarie Trockel aber auch der Farbauftrag eines Pierre Bonnard. Genauso interessiere ich mich für jüngere, zeitgenössische Positionen, wie beispielsweise Edith Dekyndt, Thea Djordjadze oder Aleana Egan. 

Hörst du gerne Musik beim Malen? Und wenn ja, welche?

Ja, absolut und durchweg. Ich bin mit Musik aufgewachsen, sie ist eine meiner großen Leidenschaften. Im Atelier höre ich je nach Tätigkeit Blues, Rock, Alternative und Free Jazz.

What’s next? Was steht als nächstes bei dir an? 

Momentan arbeite ich an den kommenden Ausstellungen, zum Beispiel einer Schau in Essen, kuratiert von Felix Fischer und an einer Gesprächssituation mit Max Dax. 

Das klingt sehr interessant, bin gespannt. 
Danke für das tolle Gespräch! 

Danke dir für dein Interesse! 

LJ.jpg

Foto Credits:
Robert Oisin Cusack (Ausstellungsansichten Setareh X),
Trevor Lloyd (Einzelansichten 1 und 2),
Kai Werner Schmidt (Einzelansichten 3 und 4),
Malte Bülskämper (Studio-Ansichten)

Malte Buelskaemper