Marion Fink

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DIE KUNST IST EIN WEG FÜR MICH, MIT DEM LEBEN UND DER REALITÄT UMZUGEHEN UND DABEI FREI ZU BLEIBEN.
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Nachdem ich Marion im Rahmen der Gruppenausstellung
„Tangerine Dreams“ im Funkhaus Berlin kennengelernt habe, besuche ich sie einige Wochen später in ihrem Atelier in Potsdam. Schon bei der Anreise genieße ich die Ruhe und die Natur – raus aus Berlin, hinein in die zauberhafte Welt, die sich Marion hier geschaffen hat. Ihr Studio liegt in schönster Lage direkt am Park Sanssouci. Wir sprechen unter anderem darüber, wie dieser Standort sich auf ihre Arbeit auswirkt, wie sie mittels Monotypie ihre meist großformatigen Bilder produziert und wie man vom Allgäu über Stockholm und Hamburg hier in Potsdam landet und schließlich bei sich selbst ankommt.

Marion, als wir uns im Funkhaus getroffen haben, hast du mir schon ein wenig deinen Arbeitsprozess erläutert und über die Technik der Monotypie gesprochen – kannst du nochmal genau beschreiben, wie du vorgehst?

Ja, gern. Also, ich arbeite mit ganz dünnem, biegsamen Plexiglas, weil es für meine Handhabung am einfachsten ist. Zuerst mache ich spiegelverkehrte Vorzeichnungen. Dann male ich mit Ölfarben auf das Plexi, flippe es auf die andere Seite rüber und drucke es auf das Papier. Es ist eigentlich ein relativ simples Verfahren, nur wird es eben komplexer je großformatiger man arbeitet. Ich habe ja nicht einen riesigen Druckkörper, den ich einmal bemale und abdrucke, sondern es puzzelt sich gewissermaßen auf dem Papier aus mehreren Teilen zusammen. Mit meiner Technik lehne ich mich natürlich an eine Druckästhetik an und mir gefällt es gut, dass diese Ästhetik in das Malerische mit einfließt. 

Ich finde es sehr interessant, wie sich das malerische Gefühl bei deinen Bildern mit der klassischen Druckästhetik verbindet. Ich frag mich nur, warum die Übergänge so perfekt passen, obwohl du das Motiv aus mehreren Druckplatten „zusammenpuzzelst“ wie du es genannt hast. Machst du dir da Markierungen oder wie geht das?

Ja genau, ich mache mir Markierungen, so dass ich an der richtigen Stelle male, um es dann auch passend anlegen und drucken zu können. Diese Technik habe ich mir erarbeitet, um auch große Formate malen zu können. Die größte Arbeit, die ich bisher gemacht habe, ist 4,40 Meter hoch. Das sind natürlich ganz viele Druckvorgänge. Die Technik passt irgendwie auch zu den Motiven, denn die entstehen ebenfalls durch ein „Zusammenpuzzeln“ oder sagen wir mal sie werden collagenhaft zusammengefügt. Wenn ich die Skizzen mache, füge ich auch Elemente zusammen und verschiebe sie hin und her. Und dann gucke ich natürlich immer, wie sieht das eigentlich aus, wenn ich es spiegele? Das war für mich auch interessant zu sehen, dass die Kompositionen durch das gespiegelte Drucken anders werden. Ich arbeite länger an den Kompositionen bis die wirklich so ausgewogen sind, dass es in beide Richtungen funktionieren könnte.

Ist es denn so, dass du dich durch das spiegelverkehrte Drucken dann manchmal selbst überrascht? Oder planst du es so perfekt vor, dass du immer weißt, was dich beim Drucken erwartet?

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Ich kann die Technik nicht zu 100 Prozent so kontrollieren, wie ich den Pinselstrich auf der Leinwand kontrollieren kann. Wenn ich es abdrucke, ist es auch mal stärker und mal schwächer auf dem Papier.

Was ja ein toller Nebeneffekt dieser Technik ist, dass du so Kontrolle abgeben kannst, oder?

Ja, auf jeden Fall. Das ist für mich interessant, weil ich eher zur Perfektion neige und da auch immer ein Stück weit gegen angehen muss. Ich arbeite immer ein bisschen gegen die Perfektion an, wobei mir diese Technik sicher hilft. So entstehen auch mal Dinge, die ich nicht unter Kontrolle habe oder die ich so nicht geplant hatte. Mir gefallen auch die Strukturen, die beim Drucken entstehen und dass es immer etwas anders aussieht als das, was ich eigentlich gemalt habe. Das hat für mich einfach mehr Reiz im Moment. Seit 2016 arbeite ich mit dieser Technik und ich finde es nach wie vor sehr interessant und lerne auch immer weiter dazu.

Die Technik der Monotypie ist ja schon sehr alt, Ich meine, das wurde ja schon von Edgar Degas und was weiß ich wem alles benutzt.

Ja, schon Dürer hat mit Monotypie gearbeitet. Ich glaube es wurde auch viel als Skizzenmedium genutzt, um mal schnell Dinge auszuprobieren. Es ist dann ein bisschen in Vergessenheit geraten und wurde später auch viel im Hobbybereich eingesetzt, einfach weil es ein simples Verfahren ist, das man zum Beispiel gut mit Kindern machen kann.

Ich find’s spannend, dass du dir das angeeignet hast. Ich kenne keine anderen jungen Maler, die heutzutage mit Monotypie arbeiten so wie du.

Ich kenne auch keinen, der so arbeitet wie ich. Ich habe zwar mal gesehen, dass die Technik bei abstrakter Malerei genutzt wurde, aber nicht figurativ, so wie ich es einsetze. Das habe ich eigentlich nirgendwo gesehen bisher. Es hat sich für mich ja auch erstmal entwickelt…

… ja, wie eigentlich? Also wie bist du auf die Technik gekommen?

Das war eigentlich eher Zufall. Ich hatte damals im Atelier Plexiglas rumliegen und habe einfach so rumprobiert. Erst habe ich kleinere Skizzen gemacht und irgendwann auch mal ein größeres Bild versucht und es ist voll aufgegangen für mich. Ich dachte mir: wow, das ist total spannend, weil es das vereint, was mir an Malerei am besten gefällt und am meisten Spaß macht. Als ich früher auf Leinwand gemalt habe, da habe ich auch immer nur eine Schicht gemalt, also das Bild bestand nur aus einem „Layer“ und ich hatte im Prinzip nur eine Chance. Das typisch Malerische, dass man Schicht um Schicht immer wieder übermalt und so weiter, das habe ich nie praktiziert. Ich habe damals schon meine Leinwände unendlich grundiert, bis sie ganz glatt waren und kaum noch Textur hatten. Mir hat es immer gefallen, auf ganz glatten Oberflächen zu arbeiten. Und wenn ich heute auf Papier arbeite, ist es ähnlich: du hast eigentlich nur eine Chance. Man kann zwar kleine Fehler mal korrigieren, aber nicht viel. Wenn es verkackt ist, dann muss es leider weg (lacht).

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Das scheint mir aber auch ein sehr besonderes Papier zu sein, das du benutzt.

Ja, ich habe ziemlich lange nach dem richtigen Papier gesucht. Ich habe auch schon ganz unterschiedliche Papiere benutzt, von Aquarellpapier bis zu normalem Zeichenpapier. Das Papier, was ich jetzt benutze, wird eigentlich zum Plotten mit großen Druckern benutzt. Das kann man für Fine-Art-Prints nutzen oder auch um Fotos richtig groß auszudrucken. Ich meine, letztlich drucke ich ja auch darauf, nur eben manuell. Ich war in allen möglichen Künstlerbedarfsläden in Berlin, habe aber nirgendwo etwas gefunden, das so fein ist, so gut saugt und die Farbe so toll wiedergibt. Dieses Papier habe ich schließlich in einem Druckerladen entdeckt und bin super happy damit.

Unter welchen Bedingungen kannst du am besten arbeiten? Oder anders gefragt: Hast du Rituale oder gibt es irgendwelche Dinge, die dir beim Malen helfen?

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Was für mich sehr gut funktioniert, ist Meditation.
Also ich meditiere vor dem Malen und nach dem Mittagessen auch nochmal. Sich sammeln, leer machen und den Fokus herstellen. Vor allem den Fokus auf das Richtige lenken. Seit gut einem Jahr mache ich das täglich. Wenn ich hier morgens durch die wunderschöne Natur fahre, da fängt es eigentlich schon an, da bin ich dann schon im Jetzt. Ich habe einfach gemerkt, wie gut mir das tut und so bin ich dazu gekommen, das jetzt auch bewusst zu machen. Eigentlich fällt es mit schwer, solche Habits beizubehalten, aber das ist wirklich was anderes. Das ist meine Zeit, auch wenn’s nur 10 Minuten sind oder eine Viertelstunde. Im Sommer sitz ich dann morgens unter einem Baum und lade mich auf mit guter Energie. Mittlerweile habe ich auch eine gute Struktur, ich arbeite nicht mehr so viel in die Nacht hinein, sondern stehe morgens auf und fahre abends wieder nach Hause. Wir essen hier immer mittags um eins zusammen, das ist für mich auch richtig gut, mittags eine Pause zu machen.

Irgendwie herrscht hier so ein Kommunen-Feeling oder?

Absolut. Es kocht hier immer einer und alle können mitessen. Am nächsten Tag kocht dann jemand anderes für alle. Das ist sehr gut für mich, weil ich das sonst auch einfach mal vergesse oder „wegpriorisiere“ (lacht). Sich diese Struktur zu geben, ist ganz wichtig, weil es ja keinen Arbeitgeber oder irgendwen gibt, der das für dich macht. Ich habe einfach gelernt, damit umzugehen. Früher hätte ich mir nie die Zeit genommen zum Meditieren, weil ich gedacht hätte, das ist verlorene Zeit.  

Aber genau das Gegenteil ist der Fall.

Ja, es ist genau das Gegenteil. Diese Zeit verbessert all die andere Zeit des Tages zu 100 Prozent.

Und hier in die Natur passt es irgendwie auch gut, also die Meditation und sich auch mal Ruhe gönnen.

Finde ich auch. Das hat sich wirklich richtig entwickelt hier. Ich glaube da wäre ich nicht hingekommen, wenn ich nicht hierhergezogen wäre. Es ist total krass, was dieser Ort bei mir zum Positiven verändert hat.

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Das ist wirklich super. Ich glaube, ich sollte auch öfter mal aus Kreuzberg raus in die Natur. Hörst du eigentlich Musik beim Malen?

Habe ich früher viel gemacht. Aber manchmal geht’s auch gar nicht. Das muss dann schon in dem Moment das Richtige sein. Zurzeit höre ich eher Hörbücher, meistens wenn ich etwas mache, wobei man eher wenig nachdenken muss. Das ist schon genial, wenn man sich beim Malen mit so etwas anregen oder sogar noch was lernen kann. Aber manchmal brauche ich auch Musik, das ist sehr gefühlsabhängig bei mir.

Kann ich gut verstehen. Aber nochmal kurz zurück zum Standort: wo hast du eigentlich vorher gelebt und gearbeitet?

In Neukölln, an der Grenze zu Treptow. Davor war ich 4 Jahre in Hamburg und davor 3 Jahre in Stockholm. In Stockholm habe ich am Wasser gewohnt und habe dort auch schon gemerkt, dass es mir gut gefällt, in der Nähe der Natur zu sein. Ich komme ja vom Dorf im Allgäu. Und ich wollte da immer weg, weil es einfach so langweilig war. Wenn man dort aufwächst, kann man das ja noch gar nicht wertschätzen, was für eine tolle Landschaft und Natur das eigentlich ist. Als Jugendlicher denkt man nur, ich kann das nicht mehr sehen, ich will endlich in die Großstadt. Und das hatte ich ja dann auch bis letztes Jahr und als ich dann wieder in die Natur gezogen bin, habe ich gemerkt, wie wichtig das für mich ist, für mein Wohlbefinden und meine Seele. Ich habe jetzt richtig das Gefühl, bei mir angekommen zu sein. Ein Gefühl, das ich davor kaum kannte. Und jetzt fühle ich mich auch viel wohler mit meiner Kunst, früher hatte ich sehr viele Zweifel und Ups and Downs.

Ich denke auch, dass wenn man als Person mehr bei sich ist, sich das dann auch in der Arbeit widerspiegelt.

Ja, wahrscheinlich schon. Meine Arbeiten kommen ja ohnehin sehr stark aus mir heraus oder sind sehr eng mit mir als Person verknüpft. Das war auch schon immer so. Als Kind oder als Jugendliche habe ich schon viel gezeichnet, um meinen Gefühlszustand auszudrücken.

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Wie hat es sich dann bis zu dem Punkt entwickelt, dass du Kunst wirklich als Beruf für dich begriffen hast?

Das war für mich überhaupt nicht absehbar, dass ich jemals Kunst machen würde. Ich bin damit auch nicht aufgewachsen und das gab’s auch in meinem Umfeld auf dem Dorf im Allgäu nicht. Meine Eltern haben ganz bodenständige Berufe und Kunstinteresse gab es weder in meiner Familie noch in meinem sonstigen Umfeld.
Dass ich gezeichnet habe, um meine Gefühle aufs Papier zu bringen, das war privat und das hat auch niemand gesehen. Das hatte für mich auch noch nichts mit Kunst zu tun. Nach dem Abi habe ich dann auf einer Reise einen Schweden kennengelernt, mit dem ich später in Berlin gelebt habe und dort ist das Interesse für Kunst langsam entstanden. Wir waren zwei Idealisten mit der romantisch-naiven Vorstellung, dass wir kein Rädchen im System sein wollten und die Kunst das einzig Wahre ist (lacht). Und aus dem Motiv heraus sind wir nach Schweden auf eine Kunstschule gegangen, wo ich dann angefangen habe zu malen.

Und auf der HFBK in Hamburg warst du dann danach?

Ja, Stockholm war mir irgendwann zu sehr eine heile Welt. Ich wollte zurückgehen nach Deutschland und für mich prüfen, ob das auch hier Bestand hat. Das war ziemlich hart anfangs. Die Beziehung war in die Brüche gegangen, ich habe an der Reeperbahn gewohnt und das war alles sehr anders als im scheinbar perfekten Stockholm. Aber ich habe mich nach diesem Kontrast auch gesehnt. Als ich dann abgeschlossen hatte, habe ich gedacht: krass, das waren jetzt 7 Jahre intensives Kunststudium – was kommt jetzt?

Wie bewertest du das Studium für dich aus heutiger Sicht?

Das war eine gewisse Abhärtung für mich. Man musste sich da selbst sehr treu bleiben und sich auch gegenüber anderen verteidigen. Ich hatte an der HFBK das Gefühl, dass ich meine Position behaupten musste, weil ich auch ziemlich alleine dastand mit dem, was ich gemacht habe. Ich war dann auch irgendwann froh aus dieser „Blase“ rauszukommen, denn das an der Uni hat auch wenig mit der Realität zu tun. Wobei es am Anfang sicher gut ist, dass man sich noch nicht mit dem Kunstmarkt und all dem auseinandersetzen muss.  

In welcher Klasse warst du dort?

Ich habe mich weder bei Anselm Reyle noch bei Werner Büttner oder Jutta Koether wirklich wiedergefunden, deswegen war ich dann in der Bildhauerei-Klasse bei Andreas Slominski. Ich denke das war für mich auch besser als in Düsseldorf oder Leipzig unter ganz vielen Malern zu studieren.

Deine älteren Arbeiten aus der Studienzeit waren schon sehr anders als die heutigen, aber sie erscheinen mir wie eine Vorstufe, die dorthin geführt hat. Das „zerstückelt Figurative“, so nenn ich es mal, hat sich da ja schon angedeutet und auch das sehr Persönliche oder Intime in deinen Bildern.

Ja, das stimmt, es hat sich einiges damals schon angedeutet. Früher waren meine Arbeiten noch enger verwoben mit mir. Das war schon manchmal auch unangenehm für mich, weil meine Bilder ziemlich intim waren und ich mich da als Person immer stark offenbart habe, obwohl ich eigentlich ein sehr privater Mensch bin. Meine älteren Bilder haben oft einen starken Eindruck auf die Betrachter gemacht und gerade auch Leihen sehr beeindruckt.

Das kommt ja oft über das handwerkliche Können. Dann sagen die Leute ja gerne mal: oh, du kannst aber gut malen. Das nervt einen dann aber eher, oder?

Ja, das hat mich total genervt (lacht).

Auf mich wirken deine aktuellen Sachen irgendwie selbstbewusster und freier.

Ich fühle mich auch freier damit. Mit dieser Technik auf Papier zu arbeiten. Die Motive entwickeln sich auch ganz anders, als wenn ich es direkt auf Leinwand malen würde.

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Deine Arbeiten haben auch interessante Titel finde ich. Manche klingen sehr lyrisch oder poetisch. Und deine Bilder haben ja auch etwas sehr Poetisches und das spiegelt sich dann in den Titeln wieder. Andere deiner Titel könnten wiederum der Anfang einer Geschichte oder der erste Satz eines Romans sein…

Das stimmt. Ich find’s generell sehr spannend, mit Text und Sprache zu arbeiten. Meine Titel entstehen oftmals aus Textfragmenten oder Dingen, die ich irgendwo aufgeschnappt und neu oder anders zusammengefügt habe. Mittlerweile habe ich ein großes Archiv aus solchen Textfragmenten gesammelt. Meine Texte fügen sich ähnlich wie die Bilder aus einzelnen Teilen zusammen, auch wenn man das dem Text oft nicht direkt anmerkt. Ich mag es, Sprache nicht als Erklärung, sondern als ein eigenes Stilmittel einzusetzen. Meine Titel sollen statt einer Erklärung eher andere Perspektiven auf das Bild aufzeigen. Wenn man den Titel kennt, guckt man ganz anders auf das Bild – das gefällt mir.

Ich wollte dich eigentlich fragen, mit welchen Themen du dich in deinen Arbeiten auseinandersetzt – aber ich habe irgendwie das Gefühl, dass es alles stark aus dir als Person kommt bzw. um dich selbst geht.

Ja, die Bilder entstehen in meinem Kopf und es ist für mich eine Art über das Leben nachzudenken. Es ist für mich Philosophie in Bildern. Es geht bei mir um grundlegende Existenz- und Identitätsfragen. Ich bearbeite nicht ein spezielles Thema, sondern es fügt sich eher zusammen aus verschiedenen Einflüssen, aus Dingen, die ich in meiner Umgebung beobachte und Fragen, die ich mir stelle: Warum wache ich jeden Morgen auf einem rotierenden Felsen irgendwo im Weltall auf? Was soll das alles? Das hört auch nicht auf, solche Fragen habe ich mir früher gestellt und die stelle ich mir auch heute noch. Früher war es bei mir sehr stark so, dass ich ein intensives Gefühl in ein Bild umgewandelt habe, eine Verzweiflung, Sehnsucht oder was auch immer. Heute fließen da noch mehr andere Einflüsse mit ein, aber es fällt mir wahnsinnig schwer, das in Worte zu fassen.

Welche Reaktion auf deine Bilder wünscht du dir?

Da mache ich mir eigentlich relativ wenig Gedanken drüber. Ich will keine spezielle Reaktion in jemandem auslösen. Das steht jedem völlig frei, so auf die Bilder zu reagieren, wie er möchte. Aber ich merke schon, wenn ein Bild von mir etwas in Menschen auslöst. Selbst wenn nur mal ganz kurz der Puls etwas ansteigt. Natürlich wünscht man sich, dass die Arbeit etwas in den Menschen bewegt, in welcher Form auch immer. Die Frage ist ja ohnehin: warum macht man das denn überhaupt? Mit der Frage habe ich auch immer wieder gestruggelt.

Die Frage nehme ich gerne auf: Warum machst du überhaupt Kunst?

Ich will einfach frei sein und machen, was ich will. Das ist ja das größte Geschenk überhaupt, was ich hier jeden Tag leben darf.

Kann ich gut verstehen, es ist in der Tat ein riesiges Glück. Die Zeit und auch die gedankliche Freiheit zu haben, ist unglaublich wertvoll. Aber natürlich auch ein großer Luxus, den viele Menschen nicht haben.

Es ist ein Mega-Luxus und ich bin mir völlig darüber bewusst, dass es etwas sehr Besonderes ist. Dass ich das machen kann und darf und mir auch selber zugestehe. Man muss sich ja auch behaupten gegenüber allen, die immer sagen: mach doch was Gescheites. Das haben ja auch damals alle gesagt, meine Eltern und auch andere Leute in meinem Umfeld. Ich bin bis heute manchmal überrascht von mir selbst, dass ich diesen Weg gegangen bin, obwohl er sehr unsicher ist und man viele Dinge eingeredet bekommt und jeder einen fragt: kannst du davon leben? Und man hört von allen Seiten, dass es kein sicherer Lebensweg ist und so weiter.

Da kann man sich beim Kaffeetrinken mit den Verwandten sicherlich das ein oder andere anhören. Mädchen, mach was Ordentliches…

Oh ja. Aber für mich hat es fast schon etwas Spirituelles, diesen Weg zu gehen. Die Kunst ist ein Weg für mich, mit dem Leben und der Realität umzugehen und dabei frei zu bleiben. Sich auszudrücken und zu versuchen, etwas über sich und seine Existenz herauszufinden. Und eben nicht fremdbestimmt zu sein. Natürlich hat man auch den Struggle, denn irgendwo muss das Geld ja herkommen.

Aber ein Stück weit hat ja auch jeder andere diesen Struggle.

Eben, und selbst wenn die Leute ihren sicheren Job und ein gutes Einkommen haben, stellen sie sich ja trotzdem die Sinnfrage und die Frage, was mache ich aus meinem Leben.

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Ja, absolut. Und vor dem Hintergrund, dass sowieso alle struggeln und sich fragen, wo der Sinn bei dem Ganzen ist, steht der Weg des Künstlers doch verdammt gut da im Vergleich zum vermeintlich bürgerlich abgesicherten Leben, wenn ich das mal so pauschal voneinander abgrenzen darf.

Manchmal bin ich selbst überrascht, dass ich diesen Weg gegangen bin, ohne mich davon abbringen zu lassen.

Das wundert mich schon ein bisschen – oder vielleicht auch nicht. Auf jeden Fall fällt es mir sehr schwer, etwas zu tun, wo die Motivation nicht aus mir selbst herauskommt.

Kann ich gut nachvollziehen. Aber überleg’ mal, wie viele Menschen ohne so eine intrinsische Motivation zur Arbeit gehen. Von daher müsstest du eigentlich jeden Morgen hier reinkommen und erstmal jubeln.

Ja! Und es ist auch so toll etwas zu tun, was weder fremdbestimmt ist noch irgendeinen Sinn ergeben muss.

Allerdings! Aber jetzt mal was ganz anderes: Du hast ja kürzlich nicht nur im Funkhaus bei der von Johann König kuratierten Show ausgestellt, sondern unter anderem auch bei EIGEN+ART eine Ausstellung gehabt. Wie sieht’s bei dir aus mit einer festen Galerie? Und was steht als nächstes an?

Zunächst mal ist es großartig, dass da Interesse aus verschiedenen Richtungen kommt. Natürlich will ich langfristig fest mit einer Galerie zusammenarbeiten, aber dieses aktuelle Stadium ist auch sehr spannend, wenn man mit verschiedenen Akteuren arbeitet. Man muss Geduld haben und gucken, wie sich die Dinge entwickeln. Zwischen Künstler und Galerie muss ein Vertrauen bestehen und ein freundschaftliches Verhältnis, es braucht Loyalität, das ist mir wichtig. Es ist ein natürlicher Wachstumsprozess und aus dem zarten Pflänzchen wird schon noch ein Baum! Mal gucken, es kann noch viel passieren… und vieles ist auch in Planung: eine Solo-Show zum Gallery Weekend im Aperto-Raum in Mitte zum Beispiel, wo ich mich sehr drauf freue. Dann eine Ausstellungsbeteiligung in der Villa Schöningen in Potsdam und im Juni eine Duo-Show in Hamburg. Gruppenausstellungen in Leipzig und New York stehen auch an, aber das ist alles noch nicht ganz spruchreif im Moment…

Das klingt super, ich bin sehr gespannt! Danke für deine Zeit und das tolle Gespräch.
Sehr gerne, danke für deinen Besuch!

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Malte Buelskaemper